Die Organisation von Pflege und Betreuung hat den Bezug zu den Bedürfnissen von Pflegebedürftigen und Care-Arbeiter:innen verloren. Mit dem Care-Manifest erheben sie nun ihre Stimme und verlangen, dass ihre Erfahrung berücksichtigt wird.
Das Care-Manifest für gute Pflege und Betreuung wurde von Beschäftigten in der Langzeitpflege entwickelt. Zusammen haben sie entschieden, ihre Stimme zu erheben, um Lösungen für die Krise zu finden. Es ist das erste Mal, dass die Care-Arbeiter:innen selber eine Bestandesaufnahme der Probleme bei ihrer Arbeit, eine Vision für einen Wandel der Care-Arbeit und eine Strategie erarbeitet haben, um diese Vision vor 2035 Wirklichkeit werden zu lassen.
Das Care-Manifest ist das Ergebnis eines umfassenden partizipativen Prozesses. Es macht sich für folgende Grundsätze stark: ältere Menschen haben das Recht, in Würde zu altern, und die Care-Arbeiter:innen, die sich um sie kümmern, haben das Recht auf faire Arbeitsbedingungen. Das eine geht nicht ohne das andere.
Leider hindert die Art und Weise, wie die Care-Arbeit zurzeit in der Pflege und Langzeitbetreuung organisiert ist, die Pflegenden daran, eine gute Pflege und Betreuung zu leisten. Das Care-Manifest ist daher unsere Roadmap, um die Organisation der Care-Arbeit zu transformieren.
« Es ist für mich ein zentrales Ziel, mir ohne Restriktionen mehr Zeit für unsere Patient:innen nehmen zu können. »
Carola W., Pflegefachfrau
Das Manifest ist in drei Teile gegliedert:
Das Manifest enthält eine starke Forderung: «Lasst uns unsere Arbeit machen!» Die Beschäftigten in der Pflege und Betreuung fordern, dass sie ihre Arbeit selber organisieren können. Angesichts der Krise sind ihre Erfahrung und ihre Kenntnisse zentral, um effiziente und intelligente Lösungen zu entwickeln.
Die Unia unterstützt die Care-Arbeiterinnen mit ihren Ressourcen und ihrer Erfahrung bei ihrem Vorhaben.
Dieser Prozess des kollektiven Handelns ist ein Beispiel für demokratische Gewerkschaftsarbeit, die die Care-Abeiter:innen in den Mittelpunkt stellt.
Im Care-Manifest haben die Pflegenden vier Handlungsachsen erarbeitet:
« Die Pflegenden stellen die Menschenwürde vor den Profit. Vielen Dank! Wir ältere Menschen müssen unsere Kräfte bündeln und sie unterstützen. »
Paola Ferro, Delegierte beim ferpa
Dieses Manifest ist einzigartig: Es ist das erste Mal, dass Arbeitnehmende aus Pflege und Betreuung sich autonom organisiert und in einem Manifest eine Diagnose der Probleme in ihrer Branche gestellt haben. Daraus haben sie eine Vision für gute Pflege und Betreuung entwickelt und in ihrer Strategie zeigen sie auf, wie wir dorthin gelangen können.
Von Februar bis Juli 2024 haben rund zwanzig Beschäftigte aus dem sozial-medizinischen Bereich aus dem ganzen Land in partizipativen Workshops gemeinsam reflektiert und sich ausgetauscht. Dabei wurden sie von Forschenden mit Spezialisierung in Pflege und Arbeitsorganisation begleitet. Die Forschenden verfassten eine erste Version des Manifests und die Care-Arbeiter:innen konnten dazu ihre Rückmeldungen geben.
Dieses Projekt wurde von der Gewerkschaft Unia finanziell und logistisch unterstützt.
Standardisierte Arbeitsprozesse aus der Industrie (Fliessbandarbeit) wurden in die Pflegebranche übertragen. Die Bewohner:innen werden nicht mehr als Menschen betrachtet, die das Recht haben, in Würde zu altern, sondern als Körper, die am Leben erhalten werden sollen.
Diese Reformen haben die Branche umgepflügt: Die Effizienzsteigerung wurde das zentrale Ziel: Das hat dazu geführt, dass die Branche als Ganzes unterfinanziert ist und immer mehr gewinnorientierte Unternehmen in das Geschäft mit den Betagten einsteigen.
Die Unterfinanzierung der Branche und die Pflege am Fliessband verstärken den Personalmangel, weil immer mehr Pflegende aus dem Beruf aussteigen.
Die Beschäftigten halten den Druck nicht mehr aus und verlassen ihren Beruf. Sie sind entmutigt, weil sie so, wie ihre Arbeit organisiert ist, keine gute Pflege und Betreuung erbringen können.
2035 leben wir in einer solidarischen Gesellschaft, in der Pflege und Betreuung als kollektive Verantwortung verstanden wird.
Die Care-Arbeit ist in der Bevölkerung und in den Familien gleichberechtigt verteilt, man geht mit positiven Erwartungen in ein Alters- und Pflegeheim und der Staat finanziert die Heime und die Betreuung den Bedürfnissen entsprechend.
Man hört auf das Wissen der Care-Arbeiter:innen und respektiert dieses.
Unsere Priorität ist eine umfassende Verbreitung in den Alters- und Pflegeheimen, um Diskussionen mit den Beschäftigten zum Inhalt des Manifests anzuregen.
Wir werden das Care-Manifest auch in amtlichen Institutionen, politischen Gremien und zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie in Hochschulen und Universitäten präsentieren.
Um das notwendige Kräfteverhältnis aufzubauen, wollen wir einen kollektiven Prozess in Gang bringen.
Dabei verfolgen wir zwei Stossrichtungen:
Wir wollen, dass sich alle betroffenen Personen an dieser gesellschaftlichen Diskussion beteiligen: Personal, Patient:innen und Bewohner:innen, ihre Angehörigen und grundsätzlich alle älteren Menschen, die das Recht haben, die letzten Jahre ihres Lebens in Würde zu verbringen.
Die zivilgesellschaftlichen Organisationen und die politischen Parteien, die die Werte des Manifests teilen, sind ebenfalls aufgerufen, das Manifest zu verbreiten und zu unterstützen.
Wir müssen das Manifest bekannt machen. Du kannst dich an einer Vielzahl von Aktivitäten beteiligen.
Vielleicht möchtest du auch selbst etwas organisieren? Beispielsweise eine Diskussionsveranstaltung in deinem Betrieb oder deiner Stadt? Wir unterstützen dich gerne dabei. Kontaktiere uns per E-Mail: gutepflege@unia.ch
Ja, vorgesehen ist ein kleiner Lehrgang zu Gesundheitspolitik, den Inhalten des Manifests und zur Stärkung der Mitbestimmung der Arbeitnehmenden.
Dieser findet 2026 beim gewerkschaftlichen Bildungsinstitut Movendo statt. Weitere Informationen folgen in Kürze.
Magst du nicht so lange warten? Gerne organisieren wir auch etwas spezifisch für dich oder deine Kolleg:innen.