In ihrer Eröffnungsrede gab Unia-Präsidentin Vania Alleva ihrer Erschütterung angesichts der internationalen Gewalteskalation Ausdruck. Nach 605 Tagen Angriffskrieg gegen die Ukraine sei das Ausmass an Zerstörung riesig, ein Ende nach wie vor nicht in Sicht. Und seit den terroristischen Angriffen der Hamas und den folgenden Bombardierungen und Vertreibungen nehme das Leid der wehrlosen Opfer und ihrer Familien sowohl in Israel wie in Palästina nochmals massiv zu. «An der Gewaltspirale zu drehen, ist nie die richtige Antwort. Das ist meine tiefste Überzeugung», so Alleva. Weiter bezeichnete sie es als dringlichste Aufgabe der Gewerkschaften, gerade auch in einer aus den Fugen geratenen Welt einen konkreten Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit zu leisten: «Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um das Leben der Arbeitnehmenden und der Menschen überhaupt zu verbessern. Das ist unsere Verantwortung.»
Nach intensiven Varianten-Debatten um drei Reformpakete stellten die Unia-Delegierten im Verlaufe des heutigen Tages wichtige Weichen für eine Neuorganisation der Gewerkschafsarbeit. Ein erstes Reformpaket strebt einen stärkeren Einbezug der aktiven Milizmitglieder in die strategischen Entscheidprozesse an. Die Delegierten beschlossen unter anderem eine Neuzusammensetzung des Zentralvorstandes, welche dies gewährleistet.
Zwei weitere Reformpakete befassten sich mit der Gestaltung und Abstimmung der internen Organisationseinheiten. Die Beschlüsse der Delegierten führen in diesen Bereichen zu einer sanften Harmonisierung, welche eine bessere Integration und Abstimmung der breiten Vielfalt von Branchen- und Regionsgremien erlaubt. In der Schlussabstimmung sprachen sich 195 gegen 32 Delegierte bei einigen Enthaltungen für die Reform aus.
Am Nachmittag debattierten die Delegierten über drei Resolutionen, welche eine Grundlage für die Kampagnenschwerpunkte der Unia in den kommenden Monaten und darüber hinaus bilden. Die Resolution «Renten erhöhen, Sozialabbau verhindern» gibt das Startsignal für eine aktive Basiskampagne, auf welche sich die Unia im ersten Halbjahr 2024 konzentriert: für die Stärkung der AHV, gegen die geplante Aushöhlung der zweiten Säule (Pensionskasse) und gegen die Erhöhung des Rentenalters.
Inhaltlich eng damit verbunden ist die Resolution «Kaufkraft stärken statt Profite maximieren». Denn einerseits sind gute Löhne die Grundvoraussetzung für anständige Renten; und andererseits leiden einfache Arbeitnehmende und Rentenbezüger:innen gleichermassen unter dem fehlenden Teuerungsausgleich. Auf der Basis dieser zweiten Resolution will die Unia darum im kommenden Jahr ihre Lohnkampagne intensivieren: für generelle Lohnerhöhungen, Mindestlöhne von 4500 Franken bzw. 5000 Franken mit Berufsabschluss, Lohngleichheit für die Frauen, mehr Prämienverbilligungen sowie einen 13. Monatslohn und eine 13. AHV-Rente für alle.
Schliesslich nahmen die Delegierten auch das dritte Papier unter dem Titel «Höchste Zeit für mehr Zeit zum Leben!» ohne Gegenstimmen an. Es fordert eine energische Reduktion der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Denn, so wurde auch in der Debatte von mehreren Vertrauensleuten betont, angesichts der ständig steigenden Arbeitsproduktivität ist eine gerechte Neuverteilung der Arbeit längst überfällig und machbar.