Die Initiative mit mehreren irreführenden Namen («Nachhaltigkeitsinitiative», «10-Millionen-Schweiz») sieht den automatischen Abbau von Arbeitnehmendenrechten vor, wenn die Wohnbevölkerung der Schweiz über 10 Millionen steigt (heute leben 9 Millionen Menschen in der Schweiz). Namentlich würde sie zur Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU und zum Abbau des Lohnschutzes führen. In Wahrheit handelt es sich also um eine Anti-Lohnschutz-Initiative.
Die Personenfreizügigkeit mit der EU beendete 2002 das unmenschliche und ausbeuterische Saisonnierstatut und etablierte das Recht der Arbeitnehmenden, sich in der EU und in der Schweiz niederzulassen und legal und geregelt zu arbeiten. Die auf Druck der Gewerkschaften beschlossenen Flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit (FlaM) etablierten Mechanismen zum Schutz der Löhne und Kontrollen der Arbeitsbedingungen, von denen alle Arbeitnehmenden in der Schweiz profitieren. Diesen doppelten Fortschritt für die Arbeitnehmenden will die SVP mit ihrer Initiative torpedieren. Zudem bedroht die Initiative weitere Rechte wie das Recht auf Familie (durch die Verhinderung des Familiennachzugs) sowie internationale Abkommen, die die Rechte der Arbeitnehmenden schützen (Europäische Menschenrechtskonvention, Genfer Flüchtlingskonvention, usw.).
Die Auswirkungen einer Annahme der SVP-Initiative für die Arbeitnehmenden wären verheerend. Denn die Kombination aus Personenfreizügigkeit und Lohnschutz gibt der Schweiz wichtige Instrumente, um die Löhne und Arbeitsbedingungen zu kontrollieren und die Ausbeutung von Arbeitnehmenden mit und ohne Schweizer Pass zu bekämpfen. Das ist dringend notwendig. Der letzte FlaM-Bericht des SECO für das Jahr 2024 hat gezeigt, dass bei 30% der Schweizer Arbeitgeber und bei 28% der Entsendeunternehmen aus der EU gegen Lohnbestimmungen verstossen wurde. (Kontrollen durch Paritätische Kommissionen im GAV-Bereich, 2024) Bei einem Drittel der Schweizer Arbeitgeber fanden die Kontrolleur:innen zudem Verstösse gegen geltende Arbeitsbedingungen. Diese Kontrollen würden bei einer Annahme der SVP-Initiative deutlich erschwert. Dann wären in der Schweiz die Löhne, der 13. Monatslohn, die Zulagen, die Einhaltung der Arbeitszeiten usw. für über eine Million Arbeitnehmende, die einem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen, nicht mehr gesichert.
Mit dem Scheinargument der «Nachhaltigkeit» betreibt die SVP einmal mehr eine fremdenfeindliche Kampagne – mit dem Ziel, die Löhne aller Arbeitnehmenden in der Schweiz zu drücken. Die Unia wird diese gefährliche Initiative nach Kräften bekämpfen und ruft die vorberatende Kommission SPK-N auf, sie ohne Wenn und Aber abzulehnen.
Gewerkschaft Unia 2025