Bauarbeiter fordern familienfreundliche Arbeitszeiten und Schluss mit unbezahlter Reisezeit

Dieses Jahr läuft der Landesmantelvertrag (LMV) des Bauhauptgewerbes aus und muss neu verhandelt werden. Der LMV regelt die Arbeitsbedingungen von rund 80'000 Bauarbeitern und ist einer der wichtigsten Gesamtarbeitsverträge der Schweiz. Die Gewerkschaften Unia und Syna präsentierten heute an einer Medienkonferenz die Forderungen der Bauarbeiter. Die Verhandlungen über den LMV haben Anfang April mit Sondierungsgesprächen der Vertragspartner begonnen.

«Die Vertragsverhandlungen 2025 werden alles andere als einfach. In der Vergangenheit forderte der Baumeisterverband immer wieder längere Arbeitstage, mehr Überstunden und tiefere Löhne für ältere Bauarbeiter – das Gegenteil von dem, was die Bauarbeiter brauchen», sagte Nico Lutz, Verhandlungsleiter und Bauverantwortlicher der Unia, an der Medienkonferenz. Umso wichtiger sei es, Verbesserungen im LMV klar zu fordern und durchzusetzen. So ist am 17. Mai ein grosser Demonstrationstag der Bauarbeiter mit gleichzeitig zwei Kundgebungen in Zürich und Lausanne geplant.

Überlange Arbeitstage erhöhen das Unfallrisiko, das Familienleben leidet mit

Das Risiko als Bauarbeiter zu verunfallen, ist dreimal höher als im Durchschnitt aller Arbeitnehmenden in der Schweiz und 20-mal höher als bei Angestellten in Banken und Versicherungen.

Eines der Hauptrisiken auf Baustellen ist der steigende Druck. In den vergangenen 10 Jahren wurde mit immer weniger Bauarbeitern deutlich mehr gebaut. Der Umsatz im Bauhauptgewerbe nahm zwischen 2015 und 2024 um 19,4 Prozent zu. Das Baustellenpersonal reduzierte sich im gleichen Zeitraum um 1,5 Prozent.

Die Bauarbeiter bezahlen dafür einen hohen Preis. Sie haben oft überlange Arbeitstage. Im Sommer beträgt die geplante Arbeitszeit meist 9 Stunden pro Tag. Dazu kommen regelmässig noch eine bis zwei Überstunden pro Tag und die Reisezeit, die gemäss LMV nicht zur Arbeitszeit zählt und erst ab der 30. Minute entschädigt wird.

Daniel, aktiver Bauarbeiter aus dem Aargau, schilderte an der Medienkonferenz die Konsequenzen für die Branche: «Immer mehr gute Leute verlassen die Branche. Einer der Hauptgründe ist der steigende Druck und dass es immer schwieriger wird, ein Familienleben führen zu können. Ich bin stolz Bauarbeiter zu sein. Aber es braucht Veränderungen.» In der Tat fehlt gemäss Baumeisterstatistik bis 2030 jeder fünfte Maurer. Bis Ende 2040 ist es jeder dritte Maurer.

Bauleute fordern kürzere Arbeitstage, Entschädigung für die Znüni-Pause und keine unbezahlte Reisezeit mehr

Nachdem über 10’000 Bauarbeiter an einer breiten Umfrage zur Arbeitszeit teilgenommen haben, legten die Bauleute an einer grossen Vollversammlung im letzten Herbst ihre Hauptforderungen fest:

  • Kürze Arbeitstage – 8 Stunden sind genug. Es braucht einen Schutz gegen überlange Arbeitstage und die Einschränkung der Arbeit am Samstag.
  • Die Znüni-Pause soll – wie in anderen Branchen längst eine Selbstverständlichkeit –entschädigt werden.
  • Schluss mit den 30 Minuten unbezahlter Reisezeit pro Tag. Die Reisezeit muss von der ersten Minute an entschädigt werden und zur Arbeitszeit zählen.
  • Es braucht eine anständige Lohnerhöhung für alle und ein gesicherter Teuerungsausgleich für die Zukunft. Nur so kann die Kaufkraft der Bauarbeiter erhalten bleiben.

Teuerung frisst die Kaufkraft weg

Das allgemeine Preisniveau liegt heute über 7 Prozent höher als Ende 2020. Dadurch kommt die Kaufkraft der Bauarbeiter weiter unter Druck. «Am Ende des Monats bleibt im Portemonnaie der Personen, die unser Land bauen, immer weniger übrig», kritisierte Guido Schluep, Branchenverantwortlicher Bau der Gewerkschaft Syna.

Diese Entwicklung ist umso besorgniserregender, weil bereits im gesamten Zeitraum zwischen 2016 und 2022 die Löhne der Bauarbeiter zurückgegangen sind. Das zeigt eine Spezialauswertung der Daten der Lohnstrukturerhebung 2022, die im letzten Jahr vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht worden ist. Die Umsätze im Bauhauptgewerbe stiegen in der gleichen Zeit um fast zwanzig Prozent. Ein Hauptgrund für diese ungleiche Entwicklung sind mehrere Nullrunden bei den Lohnverhandlungen in dieser Periode. «Es ist daher an der Zeit, Lösungen zu finden, welche den Bauarbeitern eine Sicherung ihrer Kaufkraft sowie eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der Branche garantieren», sagte Schluep weiter.