Bauarbeiter brauchen familienfreundliche Arbeitszeiten und Schluss mit unbezahlter Reisezeit – Baumeisterverband will längere Tage für weniger Geld

Der Landesmantelvertrag (LMV) des Bauhauptgewerbes regelt die Arbeitsbedingungen von rund 80'000 Bauarbeitern und muss dieses Jahr neu verhandelt werden. Heute fand die erste Verhandlungsrunde zwischen den Gewerkschaften und dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) statt. Die Bauarbeiter arbeiten am Anschlag und brauchen dringend familienfreundliche Arbeitszeiten: kürzere Tage und eine bezahlte Pause, Schluss mit unbezahlter Reisezeit, Stärkung der Kaufkraft. Doch der Baumeisterverband verlangt das Gegenteil: noch längere Tage für weniger Geld.

Medienmitteilung der Gewerkschaften Unia und Syna

Die Baubranche steckt in einer tiefen Personalkrise: Heute verlässt jeder zweite ausgebildete Maurer die Branche und in weniger als fünfzehn Jahren wird jeder dritte der benötigten Maurer fehlen. Diese Branchenflucht hat klare Gründe: überlange Arbeitstage, steigender Druck, konstante Überstunden und ausufernde Anfahrtszeiten zur Baustelle, die erst nach 30 Minuten überhaupt entschädigt werden. Es wird immer mehr und immer schneller gebaut und dies mit weniger Personal. Die Bauarbeiter zahlen mit ihrem Familienleben und ihrer Gesundheit den Preis dafür. Unter diesen Bedingungen steigt auch das Unfallrisiko: Jeder sechste Bauarbeiter verunfallt pro Jahr, das Unfallrisiko ist 40-mal höher als bei Bankern.

«Wer die Wohnungen, Schulen, Spitäler und Strassen der Schweiz baut, hat Besseres verdient. Die Baubranche muss endlich wieder attraktiv werden», sagt Nico Lutz, Bauverantwortlicher bei der Gewerkschaft Unia und Leiter der Verhandlungen.

Klare Forderungen der Bauarbeiter: fair, realistisch, notwendig

Über 10'000 Bauarbeiter haben sich im Vorfeld an einer Umfrage zur Arbeitszeit beteiligt. Ihre wichtigsten Anliegen:

  • Kürze Arbeitstage: Acht Stunden harte Arbeit sind genug.
  • Eine bezahlte Znüni-Pause: In anderen Berufen ist das längst Standard.
  • Schluss mit unbezahlter Reisezeitzur Baustelle: Reisezeit im Auftrag der Firma gehört zur Arbeitszeit und muss von der ersten Minute an entschädigt werden. Heute wird die Reisezeit vom Betrieb zur Baustelle entgegen dem Gesetz nicht zur Arbeitszeit gezählt und wird erst nach 30 Minuten überhaupt entschädigt.
  • Lohnerhöhung und gesicherter Teuerungsausgleichfür die Zukunft: Die Bauarbeiter verdienen eine Sicherung ihrer Kaufkraft.

Baumeisterverband verlangt längere Arbeitstage für weniger Geld

Geht es nach dem Baumeisterverband, soll die Personalkrise aber nicht durch eine Branchenattraktivierung gelöst werden, sondern indem die Bauarbeiter noch mehr leisten müssen für weniger Lohn:

  • Arbeitswochen bis 50 Stunden ohne Zuschläge, Arbeit auf Abruf nach dem kurzfristigen Bedürfnis der Firma
  • 6-Tage-Woche soll Norm werden: Samstag als gewöhnlicher Arbeitstag zu 25 Prozent weniger Lohn als heute
  • Neu sollen bis zu 250 Überstunden möglich sein – mehr als doppelt so viele wie heute und mit weniger Zuschlägen. Zudem bis zu 150 Minusstunden, für die der Bauarbeiter das Risiko trägt.
  • Lohndumping für Fachkräfte und erfahrene Bauarbeiter: Ersatzlose Streichung der Mindestlöhne für gelernte Bauarbeiter und Abschaffung der heutigen Lohnangleichung für Bauarbeiter mit mehrjähriger Erfahrung
  • Keine Lohnerhöhungen mehr für die Branche, nur noch auf den Mindestlöhnen – und diese sollen auch sinken dürfen!
  • Nur noch 80 Prozent Lohn für erkrankte Bauarbeiter

Die Forderungen des Baumeisterverbands wären Gift für eine Branche, die bereits jetzt am Anschlag ist.

Bauleute sind bereit, für ihre Rechte kämpfen

«Die Bauarbeiter werden nicht zulassen, dass eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen die Personalkrise der Baubranche verschärft», so Guido Schluep, Co-Branchenleiter Bau bei der Syna. Im Gegenteil: «Es braucht eine attraktivere Baubranche mit familienfreundlichen Arbeitszeiten. Dafür sind die Bauleute auch bereit zu kämpfen.»

Beharrt der Baumeisterverband auf seinen radikalen Forderungen und ist er nicht bereit, über familienfreundliche Arbeitszeiten zu verhandeln, steuert die Baubranche auf einen harten Arbeitskampf zu.