Für unsere Eltern und Grosseltern: Mit Sofortmassnahmen und einer fairen Pflegefinanzierung eine gute Pflege sichern
Ausgehend von ersten Zwischenresultaten eines Forschungsprojekts von Prof. Nicolas Pons-Vignon der Fachhochschule Südschweiz (SUPSI) haben heute rund 90 Teilnehmende an der Fachtagung Pflege diskutiert, was gute Pflege ist und wie sie umgesetzt werden kann. Durch Kurzinputs wurden unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Langzeitpflege beleuchtet: die Sicht der Pflegenden, der Rentner:innen und Patient:innen, der Hausarztmedizin und der Ausbildenden.
Zum Abschluss diskutierten Nicolas Pons-Vignon (SUPSI), Samuel Burri (Unia), Christina Schumacher (SBK), Nathalie Fischer (Pflegefachfrau) und Tamara Funiciello (SP), wie die Voraussetzungen für eine gute Pflege und Versorgungssicherheit im Alter geschaffen werden können.
Gute Pflege muss die Menschen ins Zentrum stellen
Die Sicht der Pflegenden und der Betroffenen ist klar: Eine gute Pflege muss die Menschen und die Beziehung zu ihnen in den Mittelpunkt stellen. Im letzten Jahrzehnt wurden etliche Massnahmen eingeführt, die diesen Anspruch untergraben: Mit der neuen Pflegefinanzierung wurde die Pflege auf medizinische Handgriffe reduziert und auf (Kosten-)Effizienz getrimmt.
Sandra Schmied, Pflegefachfrau und Unia-Mitglied kritisiert: «Wir Pflegenden können uns so nicht mehr mit unserer Arbeit identifizieren, die wir ursprünglich mit Freude gelernt haben. Auch deshalb verlassen immer mehr Pflegende den Beruf, was zu mehr Stress und einer weiteren Verschlechterung der Pflege und Betreuung führt.»
Pflegeversorgung in Gefahr – angehörige Frauen springen unbezahlt ein
Man kann die Zahlen nicht schönreden: Die Bevölkerung altert und braucht mehr Pflege und Betreuung. Bis 2040 wird es gemäss OBSAN 88% mehr Menschen geben, die über 80 Jahre alt sind. Es braucht 54'000 zusätzliche Pflegeheimbetten (+69%) und 35'000 zusätzliche Pflegende (+49%).
«Es ist nicht realistisch, diesen Bedarf im bestehenden System abzudecken. Ändern wir nichts an der Versorgungslandschaft und der Finanzierung, führt dies zu einer regelrechten Pflege-Versorgungskrise», warnt Samuel Burri, Branchenverantwortlicher Pflege Unia.
Die anfallende Arbeit an Alltagsunterstützung, Pflege und Betreuung wird zu einem grösseren Teil auf die Angehörigen zurückfallen. «Dies würde zu noch mehr unbezahlter Arbeit vor allem bei Frauen führen – mit allen negativen Konsequenzen wie z.B. tiefe Renten und Altersarmut. Dies ist aus gesellschaftlicher Perspektive schlicht nicht tragbar», so SP-Nationalrätin Tamara Funiciello in der Podiumsdiskussion.
Sofortmassnahmen und eine faire Pflegefinanzierung
Die Politik muss jetzt dringend handeln. Es braucht Sofortmassnahmen auf kantonaler und nationaler Ebene, um die Pflegenden im Beruf zu halten. Véronique Polito, Vize-Präsidentin Unia gibt zu bedenken: «Letztendlich muss sich die Gesellschaft in einer breiten Diskussion überlegen: Wie können wir Betagte und Pflegebedürftige – unsere Eltern und Grosseltern – in der Schweiz zukünftig in hoher Qualität unterstützen, betreuen und pflegen? Und vor allem: Wie können wir die anfallenden Kosten über die Pflegefinanzierung fair verteilen?»
Manifest für eine gute Pflege
Die Unia wird an dem Thema dranbleiben und im kommenden Jahr in einer breiten Diskussion ein Manifest ausarbeiten, das Antworten auf diese gesellschaftlich wichtigen Fragen geben soll. «Dazu braucht es ein breites Bündnis zwischen Pflegenden, ihren Gewerkschaften sowie Betroffenen und Solidarischen aus der Zivilgesellschaft. Wir rufen dazu auf, die Kräfte zu bündeln», so Enrico Borelli, Co-Branchenverantwortlicher Pflege Unia.