Das Pflegepersonal will die Krise in der Langzeitpflege selber lösen und mitreden

Rund zwanzig Beschäftigte aus Langzeitpflege und Betreuung haben ein Care-Manifest erarbeitet, um würdevolle Lösungen für die Krise in der Langzeitpflege zu finden. Sie fordern faire Arbeitsbedingungen und die Wahrung der Würde der älteren Menschen, um die sie sich kümmern. Die Gewerkschaft Unia, die diese Arbeitnehmenden unterstützt, lanciert eine Allianz- und Mobilisierungskampagne, um eine zivilgesellschaftliche Bewegung zu schaffen und die Langzeitpflege und Betreuung in der Schweiz zu transformieren.

Das Care-Manifest ist das Ergebnis einer einjährigen Arbeit und wurde im Februar 2025 von der Gewerkschaft Unia veröffentlicht. Es wurde in einem partizipativen Prozess erarbeitet, der von Forschenden der Fachhochschule Südschweiz SUPSI und der Berner Fachhochschule BFH koordiniert wurde. Beteiligt waren rund zwanzig Beschäftigte aus der Langzeitpflege und Betreuung unterschiedlicher Herkunft. Das Projekt wurde von der Unia finanziell und logistisch unterstützt.

Den Care-Arbeiter:innen eine zentrale Rolle zuweisen

Dieses Manifest ist einzigartig: Es ist das erste Mal, dass sich Arbeitnehmende kollektiv und autonom organisieren, um in einem Manifest eine Diagnose, eine Vision und eine Strategie für eine qualitativ hochwertige Langzeitpflege und Betreuung zu entwickeln.

Die Besonderheit und der Wert dieses Manifests, den Care-Arbeiter:innen die zentrale Rolle zu übertragen, ist gleichzeitig die wichtigste Erkenntnis und Forderung des Manifests: Die Arbeitnehmenden wollen bei Entscheidungen über die Organisation der Langzeitpflege an ihren Arbeitsplätzen sowie auf Kantons- und Bundesebene mitreden. Eine schweizweite Strategie für eine gute Pflege und Betreuung muss von denjenigen erarbeitet werden, die hautnah mit den Herausforderungen des Älterwerdens der Bevölkerung konfrontiert sind. Die Autonomie der Beschäftigten hat auch direkte positive Auswirkungen auf die Krise des Personals, das heute den Beruf nach manchmal nur wenigen Jahren erschöpft und resigniert verlässt. Der Grund dafür ist die Organisation der Langzeitpflege, von der nicht nur sie selber, sondern auch die Menschen, um die sie sich kümmern, betroffen sind.

Eine klare Bestandesaufnahme, 35 Vorschläge und eine Strategie mit 4 Achsen

Zunächst nehmen die Autor:innen im Care-Manifest eine klare Analyse der Lage vor: Die Langzeitpflege befindet sich aufgrund der ineffizienten und gefährlichen Standardisierung der Care-Arbeit auf dem Holzweg. Die Reformen nach dem New Public Management laufen der Care-Logik zuwider, die die zwischenmenschlichen Beziehungen in den Mittelpunkt stellt und von den Pflegenden und Gepflegten befürwortet wird. Anschliessend präsentiert die Arbeitnehmenden eine «Vision 2035» für eine gute Pflege und Betreuung. In der Einleitung wird festgestellt, dass Pflege und Betreuung zu einer kollektiven Verantwortung einer solidarischen Gesellschaft werden müssen. Daraus werden 35 Schlüsselelemente abgeleitet, die von der Organisation am Arbeitsplatz über die Arbeitsbedingungen und den gesellschaftlichen Wandel bis zur Rolle des Staates reichen. Schliesslich haben die Autor:innen eine Strategie erarbeitet, die die Care-Arbeit in den Mittelpunkt ihrer Mobilisierung stellt und die Unterstützung der Bevölkerung und Zivilgesellschaft fordert, die die Werte der Würde und des Respekts teilen.

Es braucht eine breite Allianz und eine gesamtgesellschaftliche Diskussion

Die Care-Arbeiter:innen stehen im Zentrum der Kampagne des Care-Manifests. Als Gewerkschaft sieht die Unia ihre Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmenden sich äussern und mitwirken können, sowohl auf politischer Ebene als auch am Arbeitsplatz. Diese haben sich für die Schaffung einer bereiten Allianz mit den Gewerkschaften, Personalverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen (wie Rentner:innen-, Patient:innen und pflegende Angehörigen) ausgesprochen. Das Care-Manifest bietet die Möglichkeit, diesen Ansatz zu konkretisieren.

In den nächsten Wochen wird die Unia unterschiedliche Verbände einladen, um gemeinsam zu diskutieren, Vorschläge zu entwickeln und einen kollektiven Prozess anzustossen, der den Herausforderungen der Branche gerecht wird. Den Höhepunkt bildet eine nationale Fachtagung am 13. September zum Stand der Dinge in der Langzeitpflege. Die Unia und ihre Mitglieder werden das Manifest zudem in den Alters- und Pflegeheimen mit den Betroffenen diskutieren und öffentliche Konferenzen organisieren, um eine breite zivilgesellschaftliche Bewegung und eine breite gesellschaftliche Diskussion ins Leben zu rufen