Stahl Gerlafingen verweigert seriöse Problemlösung

Das Konsultationsverfahren zur geplanten Massenentlassung bei Stahl Gerlafingen ist unbefriedigend verlaufen. Die Firma hat eine seriöse Arbeit zur Ausarbeitung von Alternativen behindert und hat heute 68 Beschäftigte entlassen. Die Gewerkschaften Unia und Syna und der Kaufmännische Verband Schweiz kritisieren diesen Schritt scharf und fordern die Rücknahme der Entlassungen und die Anwendung des bestehenden Sozialplans, der ausdrücklich den Grundsatz vorsieht, den Stellenabbau vorrangig durch Frühpensionierungen aufzufangen.

Das Konsultationsverfahren bei Stahl Gerlafingen (AFV Beltrame Gruppe) war von Beginn von mangelnder Kooperation und fehlender Information geprägt. Die Ankündigung der Massenentlassung kurz vor Ostern erschwerte die Aufnahme der Arbeit. Die Firma lieferte wichtige Informationen nur zögerlich oder gar nicht. So erhielten die Vertreter:innen des Personals keinen Einblick in entscheidende Zahlen oder in den strategisch wichtigen Briefwechsel des Unternehmens mit Bundesrat Rösti. Aus all diesen Gründen haben die Arbeitnehmendenorganisationen und Personalkommissionen am 24. April 2024 eine Verlängerung der Konsultationsfrist um sechs Tage verlangt. Dies geschah, um konkrete Alternativen zur angekündigten Entlassung von insgesamt 95 Arbeitnehmern prüfen zu können.

Viel Intransparenz und lückenhafte Informationen

Die Belegschaft wird bis heute über zentrale Fragen im Unklaren gelassen. So kommunizierte die Firma die Schliessung des Betriebsteils Profilstrasse. Gleichzeitig umfasst die angekündigte Anzahl Entlassungen deutlich mehr Personen, als in diesem Bereich arbeiten. Ebenso bleibt bis heute im Dunkeln, wie es um die finanzielle Lage der übrigen Produktionseinheiten steht. Anstatt mit den Vertragspartnern des Gesamtarbeitsvertrags der MEM-Industrie Lösungen zu suchen, ignoriert die Firma ihre sozialpartnerschaftlichen Verpflichtungen und will ihre Arbeiter:innen offenbar schnellstmöglich rausschmeissen. Darüber hinaus will Stahl Gerlafingen den bestehenden Sozialplan nicht anwenden, der etwa weitreichende Möglichkeiten für Frühpensionierungen vorsieht.

Entlassungen sind nicht notwendig

Die Konsultation hat gezeigt, dass es echte und konkrete Alternativen zu den Entlassungen der Mitarbeitenden gibt. In Anbetracht der derzeitigen Personalfluktuation von rund 10 Prozent im Betrieb und der Zahl der Mitarbeitenden im Vorruhestandsalter, ist eine Umstrukturierung ohne Entlassungen möglich: So wären gemäss Sozialplan Vorruhestandsregelungen für 43 Arbeitnehmende im Alter von 60 Jahren oder mehr möglich und 56 Stellen könnten im Rahmen der normalen Personalfluktuation aufgefangen werden.

Vorschläge für nachhaltige Stahlprodukten prüfen

Stahlprodukte haben Zukunft, sie müssen aber klimaverträglich produziert werden. Dabei sind die Recyclingstahlprodukte aus Gerlafingen gegenüber anderen Produkten bereits im Vorteil, die Prozesse müssen aber weiter dekarbonisiert werden. Anstrengungen in diese Richtung würden von den Arbeitnehmerverbänden bei gleichzeitiger Sicherung von Arbeitsplätzen und guten Arbeitsbedingungen unterstützt, ebenso die Förderung des Absatzes auf dem inländischen Markt. Wir fordern das Unternehmen dazu auf, die Entwicklung von neuen Produkten zu prüfen, die in einer CO2-neutralen Wirtschaft zur ökologischen Transformation sogar beitragen können, z.B. Solarpanelträger, Komponenten für Windturbinen und für Rollmaterial oder Schienen für den öffentlichen Verkehr.

Billige PR-Aktionen statt ernsthafte Lösungssuche

Die destruktive Haltung der Geschäftsleitung von Stahl Gerlafingen ist für die Unia, Syna und den Kaufmännischen Verband Schweiz nicht hinnehmbar. Auch das grosse Geschrei in den Medien und das Einspannen von Politiker:innen im März entpuppt sich vor diesem Hintergrund als billige PR-Aktion. Ab 2025 kann Stahl Gerlafingen aufgrund der neuen Klimagesetze mit öffentlichen Förderbeiträgen in Millionenhöhe rechnen. Die Unterstützung des Betriebes durch öffentliche Gelder im Rahmen einer klimafreundlichen Transition bedingt aber die Kooperation mit den Gewerkschaften. Wer in einer Krisensituation die Arbeit mit den Vertragspartnern verweigert und nicht seriös an Lösungen arbeiten will, sollte nicht millionenschwere finanzielle Unterstützung ohne Bedingungen erhalten.

Solidarität mit den Betroffenen am 1. Mai

Die Unia, Syna und der Kaufmännische Verband Schweiz fordern die Rücknahme der Entlassungen und die Anwendung des bestehenden Sozialplans, der ausdrücklich den Grundsatz vorsieht, den Stellenabbau vorrangig durch Frühpensionierungen aufzufangen. Die Belegschaft und die gekündigten Arbeiter:innen haben am Vorabend des 1. Mai breite Unterstützung verdient und sind auch Thema an der 1. Mai-Demonstration in Solothurn. Das Vorgehen der Firmenleitung und die Kündigungen verstossen gegen Treu und Glauben und stellen den Arbeitsfrieden in Frage.

 

Medienmitteilung der Gewerkschaften Unia und Syna und des Kaufmännischen Verbands Schweiz