Unzureichender Schutz vor missbräuchlichen Kündigungen schränkt Arbeit der Personalvertretungen ein

280 Personen haben unter dem Motto «Wir sind die Industrie!» am Industrietag der Unia teilgenommen. Die Anwesenden, mehrheitlich Mitglieder von Personalkommissionen und Vertrauensleute der Gewerkschaft aus der Industrie, haben die Zwischenergebnisse einer von der Unia in Auftrag gegebenen Untersuchung über die betriebliche Mitwirkung und den Kündigungsschutz zur Kenntnis genommen.

Am Industrietag 2025 in Bern nahmen über 280 Personen teil. Der Tag stand im Zeichen der betrieblichen Mitwirkung und des Kündigungsschutzes. Zwei Forscher der Hochschule für soziale Arbeit Freiburg stellten die Zwischenergebnisse der Untersuchung über die Funktion der Personalkommissionen (PeKo) in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) vor, die sie im Auftrag der Unia durchgeführt hatten. Die grosse Teilnehmendenzahl sowie die lebhaften Diskussionen haben gezeigt, dass diese Themen für die Arbeitnehmenden in der Industrie von grundlegender Bedeutung sind.

Unabhängige Untersuchung über die Funktion der PeKos

Yves Defferrard, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Sektors Industrie der Unia: «Das Mitwirkungsgesetz und der GAV MEM legen die Regeln für die Mitwirkung fest, aber die Mitwirkung wird von den Geschäftsleitungen allzu oft behindert. Die Personen in den Personalkommissionen sind in der Erfüllung ihrer Aufgaben eingeschränkt. Deshalb hat die Unia bei einer Fachhochschule eine unabhängige, umfassende Untersuchung in Auftrag gegeben.»

Die Ergebnisse zeigen, dass die Grundsätze der Konsultation und der Mitentscheidung nicht hinreichend umgesetzt werden und dass der fehlende Kündigungsschutz ein reibungsloses Funktionieren der PeKos und eine ungestörte Mitwirkung der Arbeitnehmenden verhindert. Zudem bestätigen sie, dass das Vorhandensein einer Gewerkschaftsgruppe in einem Unternehmen die Einhaltung des GAV fördert. Dank der Untersuchung wird die Gewerkschaft in der Lage sein, die Rolle ihrer Vertrauensleute sowie der Personalvertretungen in der Industrie zu stärken.

Guy Parmelin und Pierre-Yves Maillard als Gäste

In seiner Rede erinnerte Bundesrat Guy Parmelin an die Bedeutung der Sozialpartnerschaft und verteidigte das vom Bundesrat im Rahmen der Europa-Abkommen vorgeschlagene innenpolitische Massnahmenpaket. Er forderte das Parlament auf, das Paket unverändert anzunehmen. Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Pierre-Yves Maillard, bedankte sich bei den 280 anwesenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus der Industrie. Ihre Zahl und ihre Wortmeldungen gegenüber dem Bundesrat zeigen, wie wichtig die beiden behandelten Themen für ihre Arbeit sind.

Missbräuchliche Kündigungen: Vorschläge müssen endlich konkretisiert werden

Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia, wies in Anwesenheit von Bundesrat Guy Parmelin darauf hin, dass der Kündigungsschutz verbessert werden müsse. «Es braucht jetzt konkrete Massnahmen, damit Arbeitnehmende in den Unternehmen endlich besser vor Entlassungen geschützt sind. Fortschritte sind beim innenpolitischen Paket zu den Abkommen mit der EU möglich, das nun von allen beteiligten Parteien ohne inhaltliche Zugeständnisse verteidigt werden muss.» Schon seit Jahren weisen die Gewerkschaften auf die Missstände in der Schweiz hin, die auch von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) angeprangert werden. Nun muss es in diesem Bereich endlich vorwärtsgehen. Das Wohlergehen der Arbeitnehmenden und die Qualität der Demokratie im Unternehmen stehen auf dem Spiel.

 

Zusammenfassung der Zwischenergebnisse der Untersuchung:

Informationsaustausch reicht für echte Mitwirkung der Arbeitnehmenden nicht aus

Die Untersuchung zeigt, dass die PeKos nicht ausreichend in wichtige Entscheidungen in ihrem Unternehmen involviert sind. Nur 34 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Geschäftsleitung die Grundsätze der Konsultation/Mitentscheidung vor wichtigen Entscheidungen einhält. Lediglich 26 Prozent vertreten diese Meinung, wenn es um Massenentlassungen geht. Gemäss GAV MEM sollte die Geschäftsleitung die PeKos jedoch bei wichtigen Entscheidungen wie Entlassungen und Lohnfragen zumindest konsultieren oder sogar einbeziehen. Laut Untersuchung prägt der reine Informationsaustausch die Funktion der PeKos stark, aber auch hier mit einem Wermutstropfen: 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Informationen von der Geschäftsleitung nicht rechtzeitig erhalten, um sich organisieren und die Interessen des Personals verteidigen zu können, wie es ihr Auftrag vorsieht.

Fehlender Kündigungsschutz verhindert reibungsloses Funktionieren der PeKos und die ungestörte Mitwirkung von Arbeitnehmenden in Unternehmen

Beunruhigend ist, dass 55,9 Prozent der Befragten im Rahmen der Untersuchung angaben, dass der Kündigungsschutz unzureichend ist. Mehr als die Hälfte (52,6 %) gab an, dass dies die Ausübung ihres Mandats behindert. 41,6 Prozent der Befragten zufolge verhindere die Angst, wegen ihrer Tätigkeit als Personalvertretung entlassen zu werden, ein reibungsloses Funktionieren ihrer PeKo. Als Gründe werden das Fehlen eines verbindlichen Vorentlassungsverfahrens mit aufschiebender Wirkung, die unzureichende Entschädigung bei missbräuchlicher Kündigung, die Anerkennung wirtschaftlicher Gründe durch die Gerichte als Rechtfertigung für die Entlassung von PeKo-Vertretern und das Fehlen eines Rechts auf Anerkennung der Nichtigkeit oder auf Wiedereinstellung genannt.

Präsenz der Gewerkschaften wirkt sich positiv auf PeKos und Arbeitnehmende aus

Die Untersuchung hat auch mehrere positive Aspekte einer gewerkschaftlichen Präsenz im Betrieb aufgedeckt, wie die Stärkung des Vertrauens der Angestellten in die PeKo und die Verringerung der Verstösse gegen den Grundsatz der Konsultation und der Mitbestimmung. In Bezug auf die bevorstehenden GAV-Verhandlungen sprachen sich 51 Prozent der Befragten für eine bessere Festlegung der Zuständigkeiten der PeKos aus. 40,6 Prozent befürworteten eine Ausweitung ihrer Zuständigkeiten. Dies betrifft vorrangig ihr Mitbestimmungsrecht und das Mitwirkungsrecht bei strategischen Unternehmensentscheidungen, den Kündigungsschutz und die Lohnverhandlungen.

266 PeKo-Mitglieder, die 45 Prozent der Unternehmen vertreten, die dem Branchen-GAV unterstehen, nahmen zwischen dem 25. Februar und dem 23. März 2025 an der Umfrage teil. Sie stammen aus allen drei Sprachregionen, aus den verschiedenen Tätigkeitsbereichen der MEM-Industrie und aus allen Berufskategorien.