«Lex Uber»: Schwarzarbeit legalisieren?

Diese Woche wird die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) über die parlamentarische Initiative «Selbstständigkeit ermöglichen, Parteiwillen berücksichtigen» von Jürg Grossen befinden. Diese Initiative hat einerseits zum Zweck, das illegale Geschäftsmodell von Uber zu legalisieren. Andererseits würde die Bekämpfung von Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit in vielen Branchen praktisch verunmöglicht und die von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden finanzierten Sozialversicherungen in Frage gestellt.

Jürg Grossen will politisch durchsetzen, was der Dumping-Konzern Uber vor Gericht nicht erreicht hat: Die Legalisierung illegaler Geschäftsmodelle, die auf Ausbeutung, Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit beruhen. Mit seiner parlamentarischen Initiative 18.455 will er den sogenannten «Parteiwillen» zur Qualifikation von selbständiger oder unselbständiger Arbeit heranziehen. Konkret heisst das: Wenn der Arbeitgeber behauptet, seine Angestellten arbeiteten als Selbständige, dann soll er sich aus allen Arbeitgeberpflichten befreien können. Dies wäre nicht nur bei Uber-Fahrer:innen oder Essenskurieren der Fall, sondern etwa auch bei einer Coiffeuse, die im Salon einen Stuhl «mieten» muss, oder bei einem Maler, der nur noch im «Auftragsverhältnis» für seinen Arbeitgeber arbeitet.

Rechtsunsicherheit und unlautere Konkurrenz

Heute ist klar: Als selbständigerwerbend gilt, wer nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Um dies festzustellen, stützen sich die Sozialversicherungen auf objektive Tatsachen, also z.B. ob jemand in eigenem Namen und auf eigene Rechnung arbeitet oder ob ein Weisungsrecht eines Arbeitgebers besteht. Grossen will nun einen ominösen «Parteiwillen» zum Kriterium machen, also die Unternehmen selber entscheiden lassen, ob sie Arbeitgeber sein wollen oder nicht. Anstelle von klaren Kriterien, wer etwa Sozialversicherungsbeiträge bezahlen muss, würden Willkür und Unsicherheit treten. Unternehmen, die ihre Angestellten korrekt bei den Sozialversicherungen anmelden und Beiträge bezahlen, würden durch die unlautere Konkurrenz unter Druck kommen. Deshalb haben sich in der Vergangenheit nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch Arbeitgeberverbände gegen unüberlegte Experimente mit dem Arbeitnehmerstatus ausgesprochen.

Konsequenzen wären verheerend

Die Folgen von Grossens Vorschlag wären verheerend: Den Sozialversicherungen (AHV, IV, Berufliche Vorsorge, Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung) würden Millionenbeiträge entgehen, wenn Unternehmen selber entscheiden könnten, ob sie ihre Angestellten versichern. Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit könnten kaum mehr geahndet werden, wenn fehlbare Firmen sich auf einen anderslautenden «Parteiwillen» berufen könnten. Auch der Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmerstatus im Zivilrecht (OR) und im Arbeitsgesetz wären zwangsläufig betroffen, was potenziell auch das System der Sozialpartnerschaft und der Gesamtarbeitsverträge in Frage stellen würde.

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) hat im April 2024 einen Vorentwurf zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative gutgeheissen. Die Kommission ist sich der Tragweite dieser Vorlage offenbar nicht bewusst. So hat sie weder Arbeitgeber- noch Arbeitnehmervertretungen angehört, obwohl das gesamte Sozialversicherungssystem, alle paritätisch finanzierten Einrichtungen sowie das System der Gesamtarbeitsverträge auf dem Spiel steht. Diese Woche findet eine erneute Beratung statt. Bis dahin sollten sich die Kommissionsmitglieder gut überlegen, ob in dieser Frage Kriecherei vor einem multinationalen Dumpingkonzern oder die Verteidigung des schweizerischen Sozialversicherungssystems angebracht ist.