Baumeisterverband missbraucht sozialpartnerschaftliches Projekt für politische Zwecke

Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) hat sich heute in die Debatte um die Flankierenden Massnahmen eingemischt. Leider mit einem untauglichen und realitätsfernen Vorschlag.

«Seit mehr als einem Jahr arbeiten die Sozialpartner intensiv daran, ein paritätisches Instrument zur Verbesserung der Vollzugstätigkeit zu schaffen. Dafür haben wir das Informationssystem Allianz Bau (ISAB) geschaffen, worauf wir zu Recht stolz sein können», erklärt Nico Lutz, Geschäftsleitungsmitglied der Unia und Vizepräsident des Vereins ISAB.

Den heute vom Baumeisterverband einseitig ins Spiel gebrachten Vorschlag, das ISAB-System als Alternative für die 8-Tage-Voranmeldefrist für die Kontrolle entsandter Arbeitnehmender zu verwenden, hält Lutz aber für völlig sachfremd: «Die ISAB-Karte kann keinesfalls ein Ersatz für die 8-Tage-Regelung sein.» Guido Schluep, Branchenleiter Bau der Gewerkschaft Syna und Vorstandsmitglied des Vereins ISAB, stimmt Lutz zu: «Es ist vielmehr umgekehrt: Ohne 8-Tage-Regelung und wirksame Kontrollen kann ISAB nicht funktionieren.»

ISAB dokumentiert Kontrollen – es kann sie aber nicht ersetzen

ISAB soll nach seiner Einführung als Dokumentationssystem bereits erfolgter Kontrollen funktionieren: Es soll Kontrolleure bei späteren Kontrollen unterstützen, kann diese aber keinesfalls ersetzen. Um zu bestimmen, ob etwa ein ausländisches Unternehmen Schreiner-, Zimmermann- oder Gipserarbeiten ausführt und ob diese vertragskonform entschädigt werden, ist ein Augenschein vor Ort unerlässlich. Die Selbstdeklarationen der Firmen sind fehleranfällig; nur ein Augenschein vor Ort schafft die notwendige Klarheit und beugt Dumpingversuchen vor. Genau hier setzt nun die 8-Tage-Regelung an: Ohne diesen Planungsvorlauf – eine übrigens auch übers Wochenende laufende kurze Frist – wären Kontrollen erst möglich, wenn die oft kurzzeitigen Baustelleneinsätze der Entsendefirmen bereits wieder vorüber sind. Das bestätigen sämtliche Kontrollexperten.

Ein freiwilliges Branchen-Dokumentationssystem kann nicht die FLAM ersetzen

Die ISAB-Card soll das Kontrolldispositiv unterstützen und nicht Kontrollen ersetzen. Dazu Schluep: «Wir erhoffen uns viel von diesem Instrument, auch wenn es nicht alle Lücken stopfen kann.» Denn ISAB wird für alle Firmen freiwillig sein. Insbesondere auch für ausländische Firmen, die wohl nur mit Mühe dafür zu begeistern sein werden. Und ein Obligatorium ist nicht in Sicht: Die gleiche EU, die eine 8-tägige Voranmeldefrist für eine Zumutung hält, wird der Einführung einer kostenpflichtigen ISAB-Card für alle in der Schweiz tätigen Arbeitnehmenden sicher nicht zustimmen. Hinzu kommt: ISAB wird nur für die Baubranchen entwickelt. Rund die Hälfte der heute meldepflichtigen Dienstleistungserbringer aus dem Ausland betreffen aber nicht die Baubranchen. Sie können mit ISAB darum nicht einmal theoretisch dokumentiert werden.

Verantwortungsloses Politik-Spielchen

Die Gewerkschaften begrüssen die Einsicht des Baumeisterverbandes, dass «es in den flankierenden Massnahmen mit der EU einen wirkungsvollen Lohnschutz» braucht. Sie finden aber, der SBV sollte sich an seine eigenen Deklarationen halten, statt parteipolitische Spielchen zu spielen. Es ist jedenfalls mehr als irritierend, dass der Verband mitten in der Auseinandersetzung um Rahmenabkommen und FlaM das sich noch im Aufbau befindliche ISAB per Exklusiv-Artikel und Mediencommuniqué als «Alternative zur 8-Tage-Regelung» positioniert. «Entweder», so der Unia Bau-Verantwortliche Lutz, «hat der SBV unser gemeinsames Projekt ISAB nicht verstanden. Oder aber er missbraucht dieses, um die FDP-Bundesräte in der aktuellen politischen Auseinandersetzung zu entlasten. Ich halte dies – sowohl aus Sicht der Politik wie der Brancheninteressen – für verantwortungslos.»


Gemeinsame Medienmitteilung der Gewerkschaften Unia und Syna.

  • <link mail>Nico Lutz, Mitglied der Geschäftsleitung Unia