Frauenlohn-Report der Unia: Keine Gleichstellung ohne höhere Frauenlöhne

Aktivist:innen der Unia führen im Rahmen des Frauenstreiks von 2023 ein Strassentheater vor. Mit weissen Masken und in Berufskleidung stellen sie den Druck und Stress dar, dem sie an ihrem Arbeitsplatz als Reinigerinnen in Hotels ausgesetzt sind. Diese Szene spielen vor dem Hauptbahnhof in Zürich bei der Europaallee.
Frauen arbeiten häufiger in Tieflohnbranchen. Mindestlöhne verbessern ihre Situation deutlich. (Foto: Lea Spörri)
Die Gewerkschaft Unia hat ihren neuen Report zu den Frauenlöhnen vorgestellt. Der Bericht zeigt: Mindestlöhne sind besonders für Frauen wichtig – denn Frauen sind überdurchschnittlich oft in Tieflohnbranchen tätig.

Obwohl die Lohnungleichheit weiterhin besteht, ignorieren grosse Unternehmen die grundlegenden Vorgaben des Gleichstellungsgesetz (GlG). Gleichzeitig versuchen bürgerliche Parteien die Lohnanalysen zu schwächen oder gar abzuschaffen. Die Unia ruft zu den Demonstrationen am 14. Juni, dem Frauenstreiktag auf und fordert

  • gute Gesamtarbeitsverträge (GAV) in Frauenbranchen,
  • Mindestlöhne, die ein Leben in Würde ermöglichen
  • sowie eine Verschärfung des Gleichstellungsgesetz.

Mindestlöhne bekämpfen Frauenarmut

Fast 20 Prozent der Frauen verdienen Tieflöhne – doppelt so viel wie bei den Männern. Bei migrantischen Frauen liegt dieser Anteil sogar bei fast 30 Prozent. Deshalb engagiert sich die Unia gemeinsam mit den Schweizer Gewerkschaften seit den 1990er-Jahren konsequent gegen Tieflöhne. Denn eines ist klar: Ein Lohn muss zum Leben reichen.

Zwei grosse Kampagnen – von 1998 bis 2004 und von 2009 bis 2014 – forderten Mindestlöhne von 3000 beziehungsweise 4000 Franken. Während beider Kampagnen sank der Anteil von Frauen mit Tieflöhnen um jeweils circa 15 Prozent.
Die nationale Initiative für einen Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde scheiterte zwar 2014 an der Urne, das Anliegen fand jedoch Gehör: Der gewerkschaftliche Einsatz für Mindestlöhne verbessert die Situation der Frauen spürbar.

Genfer Mindestlohn bekämpft Armut

Die jüngsten Zahlen aus dem Kanton Genf belegen: Kantonale Mindestlöhne verbessern die Situation der Frauen spürbar.
Vor der Abstimmung 2020 verdienten 10,7 Prozent der Frauen in Genf weniger als 4000 Franken. Zwei Jahre nach der Einführung waren es nur noch 3,3 Prozent. Bei den Männern sank der Anteil mit Löhnen unter 4000 Franken von 5,1 auf 2,1 Prozent. Der Mindestlohn wirkt dort, wo er am dringendsten gebraucht wird.

«Das Beispiel Genf zeigt, dass Mindestlöhne konkret zu besseren Frauenlöhnen führen. Das ist ein wichtiger Erfolg. Es braucht aber flächendeckend gute Mindestlöhne – in Gesamtarbeitsverträgen und im Gesetz. Die Unia wird Angriffe auf gesetzliche Mindestlöhne, wie sie aktuell mit der Motion Ettlin im Parlament drohen, entschieden bekämpfen», erläutert Vania Alleva, Präsidentin der Unia.

«Da Frauen öfter tiefe Löhne haben als Männer, profitieren Frauen besonders stark von gesetzlichen Mindestlöhnen. Dies zeigt, dass der Einsatz der Gewerkschaften für gesetzliche Mindestlöhne für die Arbeitnehmenden zentral ist, ganz besonders für die Frauen. Gesetzliche Mindestlöhne tragen einen wichtigen Teil zur Reduktion der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und für die Gleichstellung bei», sagt Noémie Zurlinden, Ökonomin der Unia.

Gesetzliche Lohnanalysen in Gefahr

Laut offiziellen Zahlen verdienen Frauen in der Schweiz immer noch 17,5 Prozent weniger als Männer. 55 Prozent davon sind indirekte Diskriminierung und haben mit Faktoren wie Beruf, Branche oder Alter zu tun. Die restlichen 45 Prozent sind direkte Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – kein anderer Faktor kann sie erklären.

Anstatt diese Diskriminierung zu beheben, greifen bürgerliche Parteien die gesetzlich vorgeschriebenen Lohnanalysen an. Jüngst hat das Parlament sogar einen Vorstoss angenommen, der die Schichtzulagen in der Industrie von der Lohnanalyse ausnehmen will – mit dem Ziel, die Resultate zu schönen.

Zudem ignorieren viele Unternehmen ihre Pflicht zur Durchführung von Lohnanalysen und untergraben damit den verfassungsmässigen Auftrag zur Lohngleichheit. Das darf nicht folgenlos bleiben. Es braucht dringend wirksame Sanktionen gegen renitente Unternehmen.

«Der 14. Juni ist der Tag, an dem wir feministische Forderungen auf die Strasse tragen. Schulter an Schulter kämpfen wir für die Würde der Frauen und gegen den Hass, der derzeit den Ton beherrscht», sagt Aude Spang, Gleichstellungssekretärin der Unia.

Keine Gleichstellung ohne gerechte Löhne

Für die Unia ist klar: Gerechte Löhne heisst einerseits Lohngleichheit und andererseits Löhne, die ein Leben in Würde und Unabhängigkeit ermöglichen. Deshalb fordert die Gewerkschaft am 14. Juni:

  • Gute GAV mit fairen Mindestlöhnen – zudem mehr gesetzliche Mindestlöhne, um das Existenzminimum für alle zu sichern
  • Höhere Löhne für Frauen, insbesondere in Tieflohnbranchen: keine Löhne unter 4500 Franken, mindestens 5000 Franken nach Lehrabschluss
  • Verschärfung des Gleichstellungsgesetzes: flächendeckende Lohnanalysen und Sanktionen für Unternehmen, die das Gleichstellungsgesetz ignorieren

Am 14. Juni gehen wir schweizweit auf die Strasse – für höhere Löhne und ein Leben in Würde.