Familienverträgliche Arbeitszeiten gegen Fachkräftemangel

Bauarbeiter auf einer Baustelle, auf der es einnachtet
Zu lange Arbeitstage beeinträchtigen das Familienleben. Darum muss die Reisezeit vom Magazin zur Baustelle als Arbeitszeit gelten. (Foto: Michael Schoch)
Nico Lutz, Sektorleiter Bau der Unia, in der neusten «Baublatt»-Kolumne: Es wird immer schwieriger, auf dem Bau die nötigen Fachkräfte zu finden. Einer der Hauptgründe sind die langen Arbeitstage, zu denen Überstunden und Fahrtzeit hinzukommen. Arbeitszeit und Reisezeit zur Baustelle gehören deshalb ganzheitlich betrachtet: Ist die Baustelle weit weg, soll sich die Arbeitszeit auf der Baustelle reduzieren. Ein Umdenken der Firmen ist nötig: Für Aufträge kreuz und quer durch die Schweiz zu fahren, ist nicht zeitgemäss.

In der Schweiz wird viel gebaut. 20 Prozent mehr Umsatz im Hoch- und Tiefbau in den letzten 10 Jahren. Die Bauarbeiter sind stolz auf ihren Beruf. Sie sehen jeden Abend, was sie geschaffen haben. Es ist aber immer schwieriger, die Fachkräfte zu finden, die auf dem Bau arbeiten oder nur schon in der Branche bleiben. Über 20 Prozent der Maurer werden bis 2030 fehlen, gar über 30 Prozent bis 2040, so eine Studie im Auftrag des Schweizerischen Baumeisterverbandes.

Zu lange Arbeitstage beeinträchtigen Familienleben

Wo liegt das Problem? Wenn wir die Bauarbeiter fragen, sagen viele: Die sehr langen Arbeitstage. Im Sommer beträgt die geplante Arbeitszeit auf der Baustelle oft schon 9 Stunden. Dann können noch eine oder zwei Überstunden dazu kommen. Und zusätzlich zählt die Reisezeit von der Baufirma oder vom Magazin bis zur Baustelle nicht zur eigentlichen Arbeitszeit und wird auch nur teilweise bezahlt. Weil Baufirmen immer mehr auch überregional arbeiten, kommen für zahlreiche Bauarbeiter nochmals eine bis zwei Stunden Reisezeit dazu.

Bauarbeiter sind vernünftig. Sie wissen, dass sie manchmal auch mal eine Decke fertig betonieren müssen und es dann etwas länger dauert. Das ist auch akzeptiert. Wer aber über Wochen oder gar Monate hinweg aus dem Haus muss, wenn die Kinder noch am Schlafen sind und am Abend müde zurückkommt, wenn die Kinder schon bald wieder ins Bett gehen, der fragt sich dann schon, ob er noch im richtigen Beruf arbeitet.

Die Reisezeit zur Baustelle als Teil der Arbeitszeit

Eines der Hauptprobleme ist, dass Arbeitszeit und die Reisezeit vom Betrieb auf die Baustelle nicht gesamthaft betrachtet werden. Der Bauarbeiter hat keinen Einfluss darauf, wo seine Firma einen Bauauftrag annimmt. Wenn er seine Kinder einmal die Woche von der Krippe abholen muss, dann geht es nicht, wenn sein Arbeitsschluss zwar wie gewohnt um 17.30 Uhr ist, er aber zu diesem Zeitpunkt noch 80 Kilometer vom Wohnort entfernt ist. Er weiss dann nie, ob er es bis 18.30 Uhr zur Kinderkrippe schafft, die dann schliesst. Darum braucht es eine Gesamtbetrachtung, Arbeitszeit inklusive Reisezeit. Das würde dann heissen: Wenn die Firmen Aufträge in grosser Entfernung annehmen, dann müssen sie die Arbeitszeit auf der Baustelle reduzieren.

Kreuz und quer durch die Schweiz? Ein Umdenken ist nötig!

Das ist einerseits eine zusätzliche Herausforderung für Firmen, würde aber gleichzeitig auch dazu führen, dass weniger kreuz und quer unnötig durch die Schweiz Aufträge angenommen werden. Berner Oberländer Firmen, die Bern oder Fribourg bauen. Luzerner Firmen, die in Bern bauen. Und Firmen aus dem Rheintal in Zürich. Und es würde dazu führen, dass die Bauarbeiter familienverträglichere Arbeitszeiten haben und so weniger zwischen Beruf oder Familie entscheiden müssten.

Die Branche wird in diesem Bereich umdenken müssen. Und das im ureigenen Interesse. Denn sonst werden sich kaum mehr die qualifizierten Personen finden lassen, welche die Schweiz weiter bauen.

Nico Lutz, Sektorleiter Bau der Gewerkschaft Unia

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