Seit 2019 sind Hunderttausende Frauen bei den grossen Frauenstreiks und feministischen Mobilisierungen in der ganzen Schweiz auf die Strasse gegangen. Die Frauen haben damit wichtige Fortschritte erzielt: beispielsweise die 13. AHV-Rente oder einen Mindestlohn in mehreren Kantonen und Städten. Trotzdem stagnieren die meisten feministischen Forderungen, und die Renten der Frauen sind ständig unter Druck: Die nächste Verschlechterung steht mit der BVG 21 zur Abstimmung. Die Gewerkschaftsfrauen wollen endlich etwas bewegen.
Die Konferenzteilnehmerinnen verabschiedeten einen Leitfaden, der die feministischen Forderungen in den Verhandlungen zu neuen Gesamtarbeitsverträgen unterstützen soll. Ziel ist es, die spezifischen Bedürfnisse der Arbeiterinnen in die Vertragsverhandlungen einzubeziehen. Zudem sollen Frauen die Forderungskataloge mitgestalten und in den Verhandlungsdelegationen mitarbeiten. Damit ist eine Resolution der letzten Frauenkonferenz umgesetzt.
«Obwohl die Arbeit in den Branchen mit hohem Frauenanteil für die Gesellschaft essenziell ist, wird sie immer noch geringgeschätzt und besonders schlecht bezahlt. Die Hälfte der Arbeitnehmerinnen verdient weniger als 4126 Franken im Monat. Zudem ignorieren die meisten Sozialversicherungen die unbezahlte Arbeit. Wir kämpfen für Löhne von mindestens 5000 Franken für Arbeitnehmerinnen mit einer Berufsausbildung, für feministischere GAV, aber auch für gute GAV in sogenannt typischen Frauenbranchen, die heute nicht geschützt sind», erklärt Aude Spang, nationale Gleichstellungssekretärin der Unia.
Noch heute erlebt jede dritte Frau an ihrem Arbeitsplatz sexuelle Belästigung, jede fünfte Frau erleidet unerwünschte sexuelle Handlungen, und jede zweite Woche stirbt eine Frau durch die Gewalt ihres Partners oder Ex-Partners. Die Teilnehmerinnen der Konferenz diskutierten über eine gewerkschaftliche Kampagne gegen sexualisierte Gewalt, sexuelle Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz. In den kommenden Jahren werden sie den Schwerpunkt ihrer gewerkschaftlichen Arbeit auf diese Formen patriarchaler Gewalt legen.
«Der Kampf gegen Gewalt ist ein besonders wichtiges gewerkschaftliches Anliegen. Zehntausende von Frauen sind betroffen, aber das Problem bleibt oft individuell und unsichtbar, obwohl es meist struktureller Natur ist. Der Kampf gegen sexuelle Belästigung betrifft die gesamte Gesellschaft», meint Grazia Prezioso, neu gewählte Präsidentin der Unia-Frauenkommission.
«Wir diskutieren in der Gewerkschaft über Belästigung, weil es wichtig ist, einen kulturellen Wandel sowohl bei den Arbeitnehmer:innen als auch bei den Arbeitgeber:innen herbeizuführen. Und zwar müssen wir darüber aufklären, was Belästigung ist, um die vielen Fälle zu verringern. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und Fairness.»
Der Erfolg der Frauenstreiks hat gezeigt, dass es sich lohnt, zu kämpfen und sich zu mobilisieren. Die Frauen rufen dazu auf, am 14. Juni in grosser Zahl auf die Strasse zu gehen und an der grossen Lohnkundgebung am 21. September teilzunehmen.