In der Schweiz wird der Erwerb des roten Passes mit dem weissen Kreuz immer mehr zu einem Privileg, das Personen mit ausreichenden finanziellen Mitteln und hohem Bildungsniveau vorbehalten ist. Zu diesem Schluss gelangte die Forscherin Barbara von Rütte anlässlich des letzten Treffens der Unia-Migrationskommission. Die Schweiz zählt nach wie vor zu den europäischen Ländern, in denen die Einbürgerung besonders schwierig ist. Seit 2018 ist das Bürgerrechtsgesetz sogar noch strenger und selektiver: Anstatt die Integration zu fördern und die für die Schweizer Gesellschaft unentbehrlichen Beiträge der Migrant:innen zu anerkennen, sieht das Einbürgerungsverfahren Anforderungen vor, die oft nicht erfüllt werden können.
Heute müssen Menschen, die das Schweizer Bürgerrecht erwerben wollen, über eine Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) verfügen. Wer nicht mit einer Schweizerin oder einem Schweizer verheiratet ist oder einen Schweizer Elternteil hat, erhält den C-Ausweis in der Regel nach einer Aufenthaltsdauer von zehn Jahren. Diese Anforderung ist zu hoch.
Zudem ist das Einbürgerungsverfahren selber komplex und teuer. Die hohen Kosten, die sich je nach Kanton auf mehrere Tausend Franken belaufen können, stellen ein grosses Hindernis dar und haben zur Folge, dass sich Menschen mit tieferen Einkommen nicht einbürgern lassen können. Ausserdem verlangt der Bund von den Einbürgerungskandidat:innen ein unverhältnismässig hohes Sprachniveau. Dies trifft insbesondere auf Personen zu, die auf ihrem Bildungsweg oder in ihrer beruflichen Laufbahn nicht Gelegenheit hatten, sich die vorgeschriebenen Kenntnisse einer Landessprache anzueignen, aber in der Schweiz einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten.
Der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts stellt einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt dar. So bestehen beispielsweise Lohnungleichheiten zwischen Schweizer Arbeitnehmenden und solchen ohne Schweizer Pass. Das Schweizer Bürgerrecht ermöglicht daher, Diskriminierungen aufgrund des Aufenthaltsstatus zu verhindern, indem es den Zugang zu sichereren Arbeitsverträgen, höheren Löhnen und besseren Sozialleistungen erleichtert.
Die Migrationskommission der Unia kritisiert, dass auf dem Weg zur Einbürgerung so viele Hindernisse zu überwinden sind, und stellt folgende Forderungen:
Ein Grossteil der Unia-Mitglieder verfügt nicht über das Schweizer Bürgerrecht und ist somit von der Problematik direkt betroffen. Viele von ihnen haben Unterschriften für die Eidgenössische Volksinitiative «Für ein modernes Bürgerrecht (Demokratie-Initiative)» gesammelt. Die Kommission freut sich sehr, dass die Initiative zustande gekommen ist und das Thema nun auf der politischen Agenda steht. Gleichzeitig verlangen wir vom Bund und von den Kantonen, unverzüglich Massnahmen zu ergreifen, um die Einbürgerung zu erleichtern, sie gerechter und besser zugänglich zu machen und an die Realität der heutigen Schweizer Gesellschaft anzupassen. Die Schweiz muss die wichtigen Beiträge der Migrant:innen anerkennen und ihnen eine vollständige Integration, einschliesslich des Zugangs zum Schweizer Bürgerrecht, ermöglichen.