1. Mai 2024: «Prämien runter, Löhne rauf!»
Alles wird teurer, nur bei den Löhnen geht es nicht vorwärts. Die Reallöhne sind seit 2021 gesunken. Immer mehr Haushalte haben Mühe, ihre Rechnungen etwa für Krankenkasse oder Miete zu bezahlen.
So gehen auch dieses Jahr Zehntausende Menschen in der ganzen Schweiz auf die Strasse und nehmen unter dem Motto «Prämien runter, Löhne rauf!» an den 1. Mai-Veranstaltungen teil. Die Unia als grösste Gewerkschaft ist mit ihren Mitgliedern im ganzen Land präsent, um den Forderungen der Arbeitnehmenden Nachdruck zu verleihen und ein deutliches Zeichen für mehr Lohn zu setzen.
Vania Alleva: Geld ist genug da!
«In der Schweiz braucht es eine Wende in der Lohn- und Einkommenspolitik», sagt Unia-Präsidentin Vania Alleva in ihrer Rede in Thun. Die Löhne entwickelten sich in den letzten Jahren völlig in die falsche Richtung. Teuerung, höhere Mieten und ganz besonders die Krankenkassenprämien belasten die Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen stark. «Ein Paar mit zwei Kindern hat heute real rund 3000 Franken weniger zur Verfügung als im Jahr 2020», so Alleva. «Arbeitgeber lassen es zu, dass es den Arbeitnehmenden finanziell schlechter geht. Das ist beschämend – vor allem wenn man sieht, wie viele Firmen heute hohe Gewinne machen. Geld ist genug vorhanden, ein würdiges Einkommen für alle Arbeitnehmenden wäre möglich!»
Historischer AHV-Erfolg stärkt Gewerkschaften
«2024 ist auch ein entscheidendes Jahr für die Altersvorsorge», sagt Alleva weiter. Nach dem klaren Ja zu einer 13. AHV-Rente im März gilt es nun, «die BVG-Reform, über die wir voraussichtlich im September abstimmen, mit aller Wucht zu bodigen.» Denn es ist eine reine Abbau-Reform, die auch noch teuer ist: «Das ist absolut gschämig. Ausgerechnet Personen mit tiefen Löhnen würden um bis zu 200 Franken mehr bezahlen. Wo bliebt das Versprechen der Rechten, die Renten der Frauen und der Leute mit kleinem Einkommen zu verbessern? Es wurde hemmungslos gebrochen – zu Gunsten der Gewinne der Versicherungsgesellschaften. Nicht mit uns: Wir wollen nicht mehr zahlen für weniger Rente!»
Der Tag der Arbeit war und ist immer auch ein Tag der internationalen Solidarität. Zu den Grundwerten unserer Gewerkschaftsbewegung gehört, dass wir für Frieden und Freiheit für alle Menschen einstehen. Alleva: «Wir rufen die internationale Staatengemeinschaft und auch die Schweiz dringend auf, sofort alles Erdenkliche zu tun, um weltweit in den Krisenherden diese Spirale der Gewalt zu stoppen. Und Waffenstillstände zu ermöglichen.»
Véronique Polito: Zeit für Lohnerhöhungen!
Auch die Vize-Präsidentin der Unia, Véronique Polito, geht in ihrer 1. Mai-Rede in Delémont auf den Kaufkraftverlust der Bevölkerung ein. «Durch die steigenden Preise, die Mieten und Krankenkassenprämien geraten viele Haushalte heute immer mehr in Schwierigkeiten.» Drei Jahre in Folge sind die Löhne real gesunken. Und dies, obwohl es der Wirtschaft gut geht und die Produktivität stetig zunimmt. «Das bedeutet», so Polito, «dass das Geld nicht in die Taschen der Arbeitnehmenden geflossen ist, sondern vor allem den Managern und Grossaktionären zugutekam.» Die Stärkung der Kaufkraft der Arbeitnehmer:innen ist nun prioritär. «Die nächste Möglichkeit, hier einen Unterschied zu machen, haben wir am 9. Juni mit der Abstimmung über die 10%-Initiative, die die Belastung durch die Krankenkassenprämien begrenzen will. Und dann natürlich auch die Lohnverhandlungen im Herbst – da wollen wir Druck machen auf die Arbeitgeber und die Politik und Lohnerhöhungen für alle erkämpfen.»
Bruna Campanello: Ja zu einem sozialen Europa, mit gesichertem Lohnschutz!
Bruna Campanello, Leiterin des Sektors Gewerbe, geht in ihren Reden in Bülach und Brugg ebenfalls auf die dramatische Entwicklung der Reallöhne ein: «Trotzdem», so Campanello, «ist zu bedenken, dass in den Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen die Situation generell leicht besser ist.» Da konnten auf dieses Jahr reale Verbesserungen von grob geschätzt
0,8 Prozent ausgehandelt werden. «Das zeigt klar und deutlich auf, dass es mehr GAV mit guten Mindestlöhnen braucht!» Und: «Ein Gesamtarbeitsvertrag schützt vor Willkür und Lohndumping. Er ist aber nur so gut, wie er umgesetzt wird!»
Lohndumping und prekäre Arbeit sind in der Schweiz weit verbreitet: Rund ein Fünftel der Firmen bleibt in den Lohnkontrollen hängen. «Zudem gibt der Bundesrat Teile der Flankierenden Massnahmen in den Verhandlungen mit der EU-Kommission preis, ohne verbindliche Zusicherungen, wie die entstehenden Lücken im Lohnschutz geschlossen werden. Wir sagen ja zu einem sozialen Europa, mit gesichertem Lohnschutz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – und zwar real, nicht nur auf dem Papier!»
Renate Schoch: Wirksame Industriepolitik und Sicherung von Arbeitsplätzen
GL-Mitglied Renate Schoch geht in ihrer Rede in Grenchen (SO) auf einen Kampf ein, der aktuell quasi vor der Haustür stattfindet: Das Unternehmen Stahl Gerlafingen will eine Produktionsstrasse schliessen und hat gestern 68 Mitarbeitende entlassen. Die Beschäftigten wehren sich gemeinsam mit der Unia. «Wir fordern die Unternehmensleitung auf, die Entlassungen zurückzunehmen und den GAV sowie die Gesetze einzuhalten.» Darüber hinaus verlangt sie von Bundesrat und Kantonen eine wirksame Industriepolitik. «Der Staat muss sicherstellen, dass die Produktion von strategischen Gütern für den ökosozialen Umbau weiterhin in der Schweiz stattfindet, gegebenenfalls auch durch die Stützung der entsprechenden Betriebe.» Auch dies trägt zu mehr Wohlstand und einer gerechteren Einkommenspolitik in der Schweiz bei, so Schoch weiter.
Lohnmobilisierung für den Herbst
Der 1. Mai ist ein wichtiger Meilenstein unserer diesjährigen Lohn-Kampagne, die als Höhepunkt die Demo vom 21. September in Bern haben wird.
Ein Lohn zum Leben: Städtische Mindestlohninitiativen lanciert
Unter dem Motto «Ein Lohn zum Leben» werden heute in Biel und Schaffhausen Volksinitiativen für einen städtischen Mindestlohn lanciert. Der geforderte gesetzliche Mindestlohn von 23.80 Franken pro Stunde in Biel resp. 23.50 pro Stunde in Schaffhausen ist angesichts steigender Armut und sinkender Kaufkraft dringend nötig: Er verbessert die Löhne von vielen Beschäftigten in Tieflohnbranchen und sichert ein soziales Existenzminimum. Auch in der Stadt Bern beginnt heute die Unterschriftensammlung für einen Mindestlohn von 23.80 Franken pro Stunde. Die Unia ist in allen Initiativkomitees vertreten.
Die oben zitierten Reden