Der Bundesrat muss handeln, um den Schutz vor Entlassungen zu verbessern!

Die Gewerkschaft Unia und mehrere Arbeitnehmende, die Opfer von missbräuchlichen Kündigungen geworden sind, haben sich heute mit Bundesrat Guy Parmelin getroffen. Sie haben ihn auf den absolut ungenügenden Kündigungsschutz in der Schweiz aufmerksam gemacht und ihn aufgefordert, Massnahmen zu ergreifen. Es braucht endlich Fortschritte in diesem Dossier, wo seit 20 Jahren nichts passiert. Das schadet auch dem Ruf der Schweiz.

Die Delegation, die sich heute mit Bundesrat Parmelin traf, bestand aus der Präsidentin der Gewerkschaft Unia, Vania Alleva, dem Zentralsekretär für Arbeitsrecht und Internationales des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Luca Cirigliano, und mehreren von ungerechtfertigten Entlassungen betroffenen Arbeitnehmenden. Gemeinsam forderten sie den Bundesrat auf, das Problem der antigewerkschaftlichen Kündigungen in den Griff zu bekommen. Vania Alleva machte klar, dass die Situation für die Schweiz beschämend ist: «Es ist betrüblich, dass der Bundesrat den Stier nicht bei den Hörnern packt. Seit 20 Jahren ist klar, dass die Schweiz über einen absolut unzureichenden Schutz vor Entlassungen verfügt und dringend handeln muss.»

Handlungsbedarf seit 20 Jahren

In der Schweiz hält das Gesetz die Arbeitgeber nicht ausreichend davon ab, Personalvertreter:innen, Whistleblower:innen und überhaupt Arbeitnehmende, die sich für ihre Rechte einsetzen, zu entlassen. Darüber hinaus ist der Kündigungsschutz in der Schweiz insgesamt viel zu schwach – auch ältere, schwangere und kranke Arbeitnehmende sind ungenügend geschützt. Eine missbräuchliche Entlassung ist ein traumatisches Ereignis, das den Betroffenen finanziell, psychologisch und beruflich schwer schadet. Das Fehlen von Leitplanken beeinträchtigt auch das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit. Das Problem ist seit 20 Jahren akut: 2003 reichten die Gewerkschaften die erste Beschwerde bei der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ein. Dennoch ist nichts passiert, was die Schweiz mehrmals in die beschämende Situation brachte, dass sie dafür international gerügt wurde. Zunächst im Jahr 2006, als die IAO die Beschwerde der Gewerkschaften genehmigte und die Schweiz aufforderte, ihre Gesetzgebung anzupassen, da sie als unzureichend erachtet wurde. Dann 2019, als die Schweiz von der IAO auf die schwarze Liste der Länder gesetzt wurde, die die Gewerkschaftsfreiheit nicht respektieren. Schliesslich im Juni 2024, als der Internationale Gewerkschaftsbund sie in der internationalen Rangliste für Vereinigungsfreiheit und Schutz der Arbeitsrechte auf die Kategorie «regelmässige Rechtsverletzungen» herabstufte, was für ein demokratisches Land hochgradig peinlich ist.

Es braucht jetzt Lösungen!

Im Jahr 2019 leitete Bundesrat Guy Parmelin einen tripartiten Vermittlungsprozess zwischen Bund, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ein, um eine valable Lösung zu definieren. Im November 2023 beschloss er einseitig und aus unerklärlichen Gründen, diesen Prozess zu suspendieren. Für die Unia ist das nicht akzeptabel, denn es besteht dringender Handlungsbedarf. Allein im letzten Jahr wurden in der Schweiz 21 Fälle von gewerkschaftsfeindlichen Entlassungen dokumentiert. In Wirklichkeit dürften es noch viel mehr sein. Angesichts dieser unhaltbaren Situation fordert die Unia wirklich abschreckende Massnahmen, die sich an den Regelungen anderer europäischer Länder orientieren. Es müssen bei missbräuchlicher Kündigung Strafen von mindestens 12 Monatslöhnen und die Wiedereinstellung der betroffenen Arbeitnehmenden an ihrem Arbeitsplatz vorgesehen werden. Die Unia arbeitet auch an der Lancierung einer Volksinitiative zur Verbesserung des Kündigungsschutzes.


20 Jahre Blockade beim Kündigungsschutz in der Schweiz

  • 2003: Der SGB reicht erstmals eine Klage beim Ausschuss für Vereinigungsfreiheit der IAO wegen Verletzung der IAO-Übereinkommen 87 und 98 ein.
  • 2004-2006: Der IAO-Ausschuss fordert die Schweiz auf, ihren Kündigungsschutz zu verbessern. Insbesondere wird eine Erhöhung der maximalen Entschädigung und die Möglichkeit der Wiedereinstellung bei missbräuchlichen Kündigungen gefordert.
  • 2009-2010: Der Bundesrat schlägt vor, den Kündigungsschutz zu erweitern, u.a. auch für Gewerkschaftsvertreter. Diese Vorschläge scheitern jedoch am Widerstand der Arbeitgeber.
  • 2015: Gutachten, die im Auftrag des Seco erstellt wurden, zeigen auf, dass das schweizerische Kündigungsschutzrecht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstösst und im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ist.
  • 2016-2019: Weitere Berichte und Urteile, einschliesslich eines EGMR-Urteils, betonen den unzureichenden Schutz in der Schweiz. Die IAO setzt die Schweiz auf eine Liste der bedenklichsten Fälle von Verletzungen ihrer Konventionen.
  • 2019-2023: Mediation zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften wird gestartet, jedoch ohne Ergebnis sistiert.