Baumeister machen trotz hoher Teuerung kein Angebot für eine Lohnerhöhung

Letztes Jahr war das Bauhauptgewerbe eine der wenigen Branchen, in denen die Arbeitgeber eine generelle Lohnerhöhung verweigerten. Gemäss Erhebungen des Bundes sinken die Reallöhne auf dem Bau bereits seit Jahren. Um mindestens die letztjährige und aktuelle Teuerung auszugleichen, fordern die Gewerkschaften in den diesjährigen Verhandlungen eine Lohnerhöhung von 250 Franken. Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) machte bei den heutigen Verhandlungen nicht einmal ein Angebot. Anstatt zu verhandeln, wiederholte er in der ersten Verhandlungsrunde seinen Frontalangriff auf die Grundpfeiler der schweizerischen Sozialpartnerschaft: Der SBV will, dass die Mitglieder der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände künftig doppelt bezahlen müssen.

Die Umsätze im Bauhauptgewerbe sind auf Rekordhöhe, die Auftragsbücher voll und die Baupreise gestiegen. Das Fachmagazin Baublatt spricht in seiner Halbjahresstatistik von einem «Halbjahr für die Geschichtsbücher». Zudem sieht sich die Branche mit einem akuten Fachkräftemangel konfrontiert: Jeder zweite ausgebildete Maurer verlässt die Baubranche und bis 2040 steigt das Manko bei den benötigten Maurern auf über 30 Prozent. 

Der Kaufkraftverlust ist, nebst langen Arbeitstagen und dem steigenden Druck, einer der Gründe für diese Flucht aus der Branche. So zeigt eine Spezialauswertung der vom Bundesamt für Statistik veröffentliche Lohnstrukturerhebung, dass die Reallöhne auf dem Bau seit 2016 zurückgehen. Die deutlich gestiegenen Lebenskosten in den letzten zwei Jahren haben den Lohnverlust zusätzlich verschärft. «Sinkende Löhne für einen der härtesten Jobs in der Schweiz – das versteht niemand,» fasst Nico Lutz, Sektorleiter Bau der Unia, zusammen. 

Gewerkschaften fordern Teuerungsausgleich der letzten zwei Jahre

Aufgrund der steigenden Lebenskosten konnten letztes Jahr in praktisch allen Branchen generelle Lohnerhöhungen vereinbart werden, teilweise deutlich über der Teuerung. Nur in einer Branche nicht: dem Bauhauptgewerbe. Hier verweigerte der Baumeisterverband eine generelle Lohnerhöhung kategorisch und brach die letztjährigen Verhandlungen ab. Die Folge: 48 Prozent der Bauarbeiter erhielt gemäss einer repräsentativen Befragung keinen einzigen Franken Lohnerhöhung. «Damit erlitt rund jeder zweite Bauarbeiter im letzten Jahr alleine eine Reallohnsenkung von über 2 Prozent,» so Guido Schluep, Co-Branchenleiter Bau der Gewerkschaft Syna.

Vor diesem Hintergrund fordern die Gewerkschaften in der diesjährigen Lohnrunde 250 Franken generelle Lohnerhöhung. Gemessen am Durchschnittslohn auf dem Bau entspricht dieser Betrag in etwa der letztjährigen sowie der für dieses Jahr prognostizierten Teuerung inklusive einer minimalen Reallohnerhöhung. Damit korrekte Firmen nicht bestraft werden, sollen solche, die 2024 von sich aus Lohnerhöhungen gewährten, den jeweiligen Betrag abziehen können.

Statt zu verhandeln, stellt Baumeisterverband die Sozialpartnerschaft in Frage

Der Baumeisterverband hat in der heutigen ersten Runde der diesjährigen Lohnverhandlungen kein Lohnangebot gemacht. Im Gegenteil: Geht es nach dem SBV, sollen gewerkschaftlich organisierte Bauarbeiter und Firmenmitglieder der Arbeitgeberverbände künftig neben ihrem Verbandsbeitrag auch den vollen Vollzugskostenbeitrag bezahlen. Damit würden die organisierten Arbeitnehmer und Firmen zweimal zur Kasse gebeten werden. Da der Organisationsgrad der Verbandsmitglieder die Grundlage für einen Gesamtarbeitsvertrag ist, ist dieser polemische Angriff der Baumeister ein Angriff auf die schweizerische Sozialpartnerschaft und deshalb in keiner Weise nachzuvollziehen.

Die zweite Lohnverhandlungsrunde findet am 10. Oktober statt.