Die Delegation, die sich heute mit Bundesrat Parmelin traf, bestand aus der Präsidentin der Gewerkschaft Unia, Vania Alleva, dem Zentralsekretär für Arbeitsrecht und Internationales des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Luca Cirigliano, und mehreren von ungerechtfertigten Entlassungen betroffenen Arbeitnehmenden. Gemeinsam forderten sie den Bundesrat auf, das Problem der antigewerkschaftlichen Kündigungen in den Griff zu bekommen. Vania Alleva machte klar, dass die Situation für die Schweiz beschämend ist: «Es ist betrüblich, dass der Bundesrat den Stier nicht bei den Hörnern packt. Seit 20 Jahren ist klar, dass die Schweiz über einen absolut unzureichenden Schutz vor Entlassungen verfügt und dringend handeln muss.»
In der Schweiz hält das Gesetz die Arbeitgeber nicht ausreichend davon ab, Personalvertreter:innen, Whistleblower:innen und überhaupt Arbeitnehmende, die sich für ihre Rechte einsetzen, zu entlassen. Darüber hinaus ist der Kündigungsschutz in der Schweiz insgesamt viel zu schwach – auch ältere, schwangere und kranke Arbeitnehmende sind ungenügend geschützt. Eine missbräuchliche Entlassung ist ein traumatisches Ereignis, das den Betroffenen finanziell, psychologisch und beruflich schwer schadet. Das Fehlen von Leitplanken beeinträchtigt auch das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit. Das Problem ist seit 20 Jahren akut: 2003 reichten die Gewerkschaften die erste Beschwerde bei der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ein. Dennoch ist nichts passiert, was die Schweiz mehrmals in die beschämende Situation brachte, dass sie dafür international gerügt wurde. Zunächst im Jahr 2006, als die IAO die Beschwerde der Gewerkschaften genehmigte und die Schweiz aufforderte, ihre Gesetzgebung anzupassen, da sie als unzureichend erachtet wurde. Dann 2019, als die Schweiz von der IAO auf die schwarze Liste der Länder gesetzt wurde, die die Gewerkschaftsfreiheit nicht respektieren. Schliesslich im Juni 2024, als der Internationale Gewerkschaftsbund sie in der internationalen Rangliste für Vereinigungsfreiheit und Schutz der Arbeitsrechte auf die Kategorie «regelmässige Rechtsverletzungen» herabstufte, was für ein demokratisches Land hochgradig peinlich ist.
Im Jahr 2019 leitete Bundesrat Guy Parmelin einen tripartiten Vermittlungsprozess zwischen Bund, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ein, um eine valable Lösung zu definieren. Im November 2023 beschloss er einseitig und aus unerklärlichen Gründen, diesen Prozess zu suspendieren. Für die Unia ist das nicht akzeptabel, denn es besteht dringender Handlungsbedarf. Allein im letzten Jahr wurden in der Schweiz 21 Fälle von gewerkschaftsfeindlichen Entlassungen dokumentiert. In Wirklichkeit dürften es noch viel mehr sein. Angesichts dieser unhaltbaren Situation fordert die Unia wirklich abschreckende Massnahmen, die sich an den Regelungen anderer europäischer Länder orientieren. Es müssen bei missbräuchlicher Kündigung Strafen von mindestens 12 Monatslöhnen und die Wiedereinstellung der betroffenen Arbeitnehmenden an ihrem Arbeitsplatz vorgesehen werden. Die Unia arbeitet auch an der Lancierung einer Volksinitiative zur Verbesserung des Kündigungsschutzes.