Tag der Arbeit: Mehr Schutz für alle - gegen Abbau und Diskriminierung

«Zukunft für alle. Sozialer. Gerechter.»: Unter diesem Motto nehmen dieses Jahr Zehntausende Menschen in der ganzen Schweiz an Kundgebungen zum Tag der Arbeit teil. Die Unia als grösste Gewerkschaft der Schweiz beteiligt sich massgeblich an den zahlreichen 1. Mai-Veranstaltungen. Ihre Redner/innen stellen die Antworten der Gewerkschaft auf die drängendsten gesellschaftlichen Probleme ins Zentrum ihrer Ansprachen.

Viele Arbeitnehmende machen sich Sorgen: um ihren Job, ihren Lohn und ihre künftige Rente. Die neoliberalen Rezepte des Arbeitgeberverbandes sowie von bürgerlichen Politikern und rechten Populisten sind keine Lösung. Im Gegenteil: Sie gefährden den sozialen Zusammenhalt und führen in die Sackgasse. Dagegen wehrt sich die Unia.

Vania Alleva: Einheit und Solidarität für eine bessere Gesellschaft

Zentrales Anliegen von Unia-Präsidentin Vania Alleva ist die Anerkennung der Arbeit: in Form einer gerechten Entlohnung, guter Arbeitsbedingungen und sozialer Sicherheit, aber auch in Form von Respekt und Würde. «Arbeitslosigkeit, Job-Unsicherheit, Lohndruck, prekäre Arbeitsverhältnisse, einseitige Flexibilisierung greifen um sich, in der Schweiz wie in vielen anderen Ländern. Damit verbunden sind zunehmende soziale Unsicherheit, immer extremere Ungleichheit und vielfältige Diskriminierungen.»

Viele Menschen machten sich Sorgen. «Diese Sorgen sind die Folge einer Politik, die sich nicht um die Probleme der Menschen kümmert, sondern die ideologischen Glaubenssätze des Neoliberalismus hochhält. (…) Einer schamlosen Umverteilungspolitik zu Gunsten der Reichen und Superreichen.»

Auch rechte Demagogen schlagen mit nationalistischen Hassparolen politischen Profit aus der Verunsicherung. Alleva betont: «Diskriminierungen und nationale Blut- und Bodenparolen bieten keine Lösung für die realen Probleme.» Im Gegenteil führten sie zu einer gespaltenen Gesellschaft, in der die Grundlagen der Solidarität zerfallen. «Nur wenn wir zusammenstehen und gemeinsam für unsere zentralen Werte Gleichheit, Freiheit, Sicherheit und Solidarität kämpfen, können wir echte Lösungen für reale Probleme durchzusetzen!»

So wird die Unia Angriffe gegen das Arbeitszeitgesetz, die zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen und die Gesundheit der Angestellten gefährden, abwehren.
Die Unia beteiligt sich an tragfähigen Lösungen für die Arbeitnehmenden, etwa bei der Altersvorsorge: «Der Kompromiss bei der Altersvorsorge 2020 sichert die Finanzierung der AHV und verbessert erstmals seit 40 Jahren die Leistungen dieses sozialsten unserer Sozialwerke, wovon Wenigverdienende am meisten profitieren. (…) Nichtsdestotrotz ist es ungerecht, dass die Frauen mit der Erhöhung ihres Rentenalters den grössten Preis zahlen müssen.» Damit die Lohngleichheit, die seit Jahrzehnten in Verfassung und Gesetz verankert ist, endlich Realität wird, will die Unia eine «Subito-Initiative» zur Umsetzung lancieren.

Corrado Pardini: Gemeinsam für eine soziale Digitalisierung

Auch Unia-Industrie-Chef Corrado Pardini kritisiert in seiner Rede in St. Gallen den neoliberalen Mainstream: «Neoliberalismus bringt Krieg und Bürgerkrieg.» Aber es gebe auch Tendenzen, die Mut machten. Etwa in Frankreich, wo die Bewegung um Jean-Luc Mélenchon in kurzer Zeit eine Alternative zum Neoliberalismus entworfen habe. Das motiviere, auch hier in die Offensive zu gehen.

Etwa beim Thema Digitalisierung: «Dass die Politik den digitalen und ökologischen Umbau anstossen sollte, fordern wir seit Jahren. Wir haben den Arbeitgebern diverse Vorschläge zur Industriepolitik gemacht. Verweigern Regierung und Arbeitgeber diese Politik, könnte die Digitalisierung in der Schweiz bald 100'000 Arbeitsplätze kosten. Umgekehrt könnte eine gestaltete Vierte industrielle Revolution der Schweiz immense Chancen öffnen. Sie könnte die Arbeit leichter und besser machen. Ökologische Vorteile bringen. Neue Industrien schaffen.» Doch soll sie im Sinne der Angestellten sein, muss sie konsensuell gestaltet werden.

«Im Zuge der Vierten industriellen Revolution gleich noch die Arbeitsverträge, den Lohn, den Gesundheitsschutz, die Job-Sicherheit und einiges mehr eindampfen und die Gesellschaft durch-uberisieren? Davon träumt der Aktionär – und dagegen wehren wir uns. Wir wollen gemeinsam für mehr soziale Digitalisierung und mehr Gerechtigkeit sorgen.»

Corinne Schärer: Anständige Löhne für alle Frauen

GL-Mitglied Corinne Schärer fordert in ihrer Rede in Lenzburg «das Ende von Gewalt an Frauen, den Ausbau der Mutterschaftsversicherung und die längst fällige Einführung einer Elternzeit, wie sie fast alle umliegenden europäischen Länder kennen. Und es braucht endlich eine gesellschaftliche Anerkennung der vielen Sorgearbeit, welche meistens Frauen gratis verrichten. (…) Diese Arbeit ist wichtig und trägt enorm viel zu unserem Wohlstand und Lebensstandard bei. Und diese Arbeit soll gratis sein? Ein Armutsrisiko zur Folge haben? Lücken in der Rente? Machen wir den 1. Mai auch zum Tag der unsichtbaren Arbeit und fordern bessere Lebensbedingungen und anständige Löhne für alle Frauen!»

Eine grosse Gefahr sieht Schärer auch in den Angriffen auf das Arbeitsgesetz und die Lockerung der Arbeitszeiterfassung, wie sie aktuell im Parlament diskutiert werden: «Wird die Arbeitszeit nicht mehr erfasst und gelten keine Höchstarbeitszeiten mehr, leidet nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.»

Véronique Polito: Besserer Schutz für ältere Arbeitnehmende

In ihrer Rede in Fribourg stellt GL-Mitglied Véronique Polito fest, dass es in letzter Zeit besonders in der Romandie öfter zu Konflikten und Streiks infolge Massenentlassungen gekommen ist. Ihre Folgerung: «Die Arbeitnehmenden brauchen Schutz, heute mehr denn je.» Denn, so Polito, die Prekarisierung der Arbeitsbedingungen trifft alle Branchen. Im Verkauf etwa verstärke der Online-Handel den Stellenabbau zusätzlich. Mit dem Aufkommen von Uber breiteten sich in der Transport-Branche ausbeuterische, illegale Arbeitsverhältnissen aus. Und in der Pflege wird die prekäre Teilzeitarbeit immer mehr zum Normalfall.

Besonders betroffen sind ältere Arbeitnehmende: «Das Tabu, über 50-Jährige zu entlassen, existiert nicht mehr. Immer mehr ältere Arbeitnehmende sehen sich gezwungen, auf das Temporär-Büro zu gehen, um einen neuen Job zu finden – teilweise im gleichen Betrieb, der sie vorher entlassen hatte.» Polito fordert die Einführung des Kündigungsschutzes für über 50-Jährige und eine Überbrückungsrente, die verhindert, dass ältere Arbeitnehmer arbeitslos werden.