Die Gewerkschaft Unia hat in vielen Gesprächen mit Lernenden festgestellt, dass sie mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz konfrontiert sind.
Um sich einen Überblick über die Situation von Lernenden zu schaffen, hat die Interessengruppe Jugend der Unia Anfang 2019 eine Umfrage bei über 800 Lernenden durchgeführt. In der Umfrage wurden weiter auch Themen wie Überforderung und Mobbing am Arbeitsplatz, die Zufriedenheit mit dem Lohn und den Arbeitszeiten erfragt.
Die Resultate zum Thema sexuelle Belästigung sind erschreckend. 70% aller Befragten gaben an, dass sie schon mindestens einmal in ihrem Leben sexuelle Belästigung erfahren haben. Nur 30% wurden noch nie sexuell belästigt. Dies ist besonders alarmierend, wenn beachtet wird, dass es sich bei den Teilnehmer/innen der Umfrage um Jugendliche und junge Erwachsene handelt. Die Befragten waren durchschnittlich (sowohl arithmetisches Mittel wie auch Median) 19 Jahre alt.
Belästigung nach Ort Die Differenzierung nach dem Ort, wo die Belästigungen stattfanden, zeigt, dass ein Drittel aller Befragten (33%) schon mindestens einmal im Arbeitsalltag sexuell belästigt wurde. Rund ein Drittel (34%) wurde auch schon in der Schule und sogar deutlich über die Hälfte (56%) im Privatleben sexuell belästigt.
Lesebeispiel zu Verbreitung sexueller Belästigung getrennt nach Ort: 33 % der Befragten waren in ihrem Berufsalltag Opfer sexueller Belästigung.
In der obigen Analyse wurde nicht zwischen den verschiedenen Formen sexueller Belästigung differenziert. Eine Übersicht der abgefragten Formen der sexuellen Belästigung sowie die genaue Verteilung der Antworten kann der untenstehenden Tabelle entnommen werden. Es gilt zu berücksichtigen, dass Mehrfachantworten möglich waren.
Die verbreitetste Form der sexuellen Belästigung sind «Sexuelle Anspielungen oder abwertende Bemerkungen». Diese Art der Belästigung tritt häufig in Kombination mit anderen Formen auf: Nur gerade 16% aller von sexueller Belästigung betroffenen Befragten waren ausschliesslich von dieser am stärksten verbreiteten Form betroffen.
Arbeitsalltag
In der Schule
Privatleben
Sexuelle Anspielung oder abwertende Bemerkungen
200
210
350
Unerwünschtes Zeigen, Auflegen, Aufhängen von pornographischem Material
54
88
173
Unerwünschte Einladungen mit sexueller Absicht
58
227
Unerwünschte Körperkontakte
95
75
256
Stalking (Unerwünschte Verfolgung oder wiederholte unerwünschte Kontaktaufnahme)
64
60
174
Annäherungsversuche mit Versprechen von Vorteilen oder Androhen von Nachteilen
53
121
Sexuelle Übergriffe, Nötigung oder Vergewaltigung
9
8
85
Der Anteil der Personen, die von sexueller Belästigung betroffen waren, variiert in Abhängigkeit vom Geschlecht. 80% der befragten Frauen waren schon einmal mit sexueller Belästigung konfrontiert. Bei den Männern waren es 48%. Dies zeigt, dass es sich bei sexueller Belästigung nicht ausschliesslich um ein «Frauenproblem» handelt, wenn auch Frauen überproportional davon betroffen sind.
Die Auswertung der Fragen nach Überstunden und nach Stress zeigt klar: Überstunden und Stress sind in der Lehre keine Ausnahme, sondern Alltag. Fast zwei Drittel (63%) aller Befragten müssen mindestens ab und zu Überstunden machen, obwohl dies in der Lehre nur im Ausnahmefall zulässig ist. 7% der Lernenden fühlen sich mindestens ab und zu gestresst.
Lesebeispiel zu Überstunden und Stress im Lehrbetrieb: 37% der Befragten mussten noch nie oder nur selten Überstunden leisten.
Leider ist auch Mobbing und Überforderung in der Lehre weit verbreitet. So fühlen sich fast die Hälfte (46%) aller Befragten mindestens ab und zu überfordert. Zudem wurde ein knappes Drittel (31%) schon einmal am Arbeitsplatz gemobbt.
Lesebeispiel zu Überforderung und Mobbing bei der Arbeit: 31% haben sich im Arbeitsumfeld schon unwohl gefühlt wegen Mobbing – 9% der Befragten oft.
Weniger alarmierend, aber trotzdem noch nicht zufriedenstellend, sind die Ergebnisse bezüglich der Zufriedenheit mit Lohn, Arbeitszeit und Arbeitsumfeld:
An der Studie nahmen 812 Personen teil. 61% der Teilnehmenden waren weiblich, 30% männlich und 9% gaben kein Geschlecht an, bzw. kreuzten die Kategorie «anderes» an. Die Fragebögen wurden sowohl an Berufsschulen in der ganzen Schweiz (298 Antworten) als auch online (514 Antworten) ausgefüllt. 28% der Befragten befanden sich zum Zeitpunkt der Umfrage im ersten Lehrjahr, 22% im zweiten und 30% im dritten. 20% der Teilnehmenden machten diesbezüglich keine verständliche oder keine Angaben oder hatten zum Zeitpunkt der Umfrage die Lehre bereits abgeschlossen.