In ihrem Abstimmungskampf für AHV 21 betonten die bürgerlichen Parteien eines immer wieder: Dass sie sich bei Annahme des Frauenrentenalter 65 für eine rasche Reform der zweiten Säule einsetzen würden, welche die Rentensituation der Frauen verbessern werden. Glaubte man diesen Versprechungen, sollte die Benachteiligung der Frauen in der beruflichen Vorsorge bald Geschichte sein.
Der heutig Entscheid des Ständerats zeigt, dass es sich bei diesen Versprechen nur um Lippenbekenntnisse handelte. Sie dienten einzig dem Zweck, die Erhöhung des Rentenalters für Frauen durchzusetzen. Selbst wenn einigen Bestandteile der Vorlage, wie das Senken des Koordinationsabzugs und der Eintrittsschwelle, für Personen mit mittleren Einkommen sinnvoll scheinen: für die vorgebliche Zielgruppe – die teilzeitarbeitenden Frauen in Niedriglohnberufen – bietet die heute beschlossene Reform keine annehmbare Lösung. Denn sie verteuert die Vorsorge für Menschen mit tiefen Löhnen und für Teilzeitarbeitende – und zwar nicht nur für Frauen, die in dieser Kategorie übervertreten sind, sondern für alle prekär Beschäftigen. Sie müssten deutlich mehr in die zweite Säule einzahlen, obwohl sich ihre Renten kaum verbessern würden. Für sie alle erhöht die Reform somit das Armutsrisiko. Wegen der Teuerung verschärft sich die Situation für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen zusätzlich. Die anvisierten Kompensationsmassnahmen werden auch sie nicht überzeugen.
Die heute vom Ständerat beschlossene BVG-Revision ist mutlos, ungerecht und nicht nachhaltig. Anders als der Vorschlag der Sozialpartner, garantiert die Reform keine bedarfsgerechte Verbesserung der Altersrente als Gegenleistung für die Senkung des Umwandlungssatzes. Diese ist darum nicht mehr akzeptabel. Es ist keine Alternative, die Leistungen für eine ganze Generation von Versicherten zu kürzen, ohne einen echten, dauerhaften und finanzierbaren Ausgleich zu bieten. Statt den Vorschlag zu übernehmen, den die Sozialpartner ausgearbeitet hatten, beharrt der Ständerat auf einem Rentenabbau, welche die Individualisierung der Vorsorge im Dienst der Versicherungslobby verstärkt und das Vertrauen in die schweizerische Altersvorsorge untergräbt.
Die Gewerkschaft Unia wird diese Reform unter keinen Umständen unterstützen. Einen Rentenabbau, wie er heute vom Ständerat vorgeschlagen wurde, wird die Unia wenn nötig mit dem Referendum bekämpfen. Es geht nicht an, dass die Renten in der zweiten Säule weiter sinken, ohne dass eine echte Lösung für die Zukunft der Altersvorsorge im Interesse der Beschäftigten auf dem Tisch liegt. Deshalb setzt sich die Unia für eine Stärkung der 1. Säule durch eine 13. AHV-Monatsrente ein. Und darum ruft die Gewerkschaft zu einer starken Mobilisierung für den Frauenstreik im Juni 2023 auf. Zusammen mit der grossen Mehrheit der Frauen, die im September gegen AHV 21 gestimmt hat, wird die Unia jede weitere Verschlechterung bei den Renten vehement bekämpfen.