Die «Renteninitiative» der Jungfreisinnigen greift ein Alter in Würde für mehr als 100'000 Arbeitnehmende in Bau und Gewerbe frontal an. Weil sie oft körperlich belastende und gefährliche Arbeitsbedingungen haben, jahrzehntelange Schwerstarbeit bei Nässe, grosser Kälte im Winter und in immer heisseren Sommermonaten leisten, brauchen sie ein früheres Rentenalter. «Nur eine kleine Minderheit der Betroffenen schafft es unter solchen Bedingungen bis zum ordentlichen AHV-Alter von 65 Jahren», erklärt Unia-Sektorleiter Bau Nico Lutz. Tatsächlich erlebte vor der Einführung einer Frühpensionierungslösung nur gerade einer von fünf Bauarbeitern die ordentliche Pensionierung. Zwei Fünftel mussten sich einen Job in einer anderen Branche suchen, und etwa je ein Fünftel landete in der IV oder verstarb vorzeitig.
2003 erkämpften sich die Bauarbeiter und Gerüstbauer darum den flexiblen Altersrücktritt FAR. Seither konnten bereits über 28'000 Bauleute mit 60 in die Rente gehen. Sie erhalten bis zur ordentlichen Pensionierung ein Überbrückungsrente von rund 70 Prozent des letzten Lohnes. Finanziert wird dies – wie die AHV – im Umlageverfahren mit Lohnprozenten. Der FAR gilt als Erfolgsmodell.
«Diese historische Errungenschaft ist nun aber gefährdet», warnt Nico Lutz. Denn die «Renteninitiative» der Jungfreisinnigen, über welche die Stimmbürger:innen am 3. März abstimmen werden, droht ihr den Boden unter den Füssen wegzureissen. Sollte das Rentenalter tatsächlich auf 66 Jahre – und dann abhängig von der demografischen Entwicklung auf 67, 68 oder noch mehr Jahre – angehoben werden, steigt automatisch auch das Alter für die Frühpensionierung auf 61, 62, 63 oder gar noch höher. Denn die Frührente finanziert maximal fünf Jahre vor dem ordentlichen Pensionierungsalter. Gemäss Lutz ist eine Erhöhung des Rentenalters auf dem Bau für Bauarbeiter aber schlicht nicht möglich: «Schon mit 55 Jahren haben sie körperliche Probleme bei der harten Arbeit auf dem Bau, und viele ältere Bauarbeiter zählen die Tage bis zur Frühpensionierung mit 60.» Angesichts der fehlenden Planbarkeit demografischer Entwicklungen drohe dem FAR mit der «Renteninitiative» ein «Totalschaden».
Nicht nur im Bauhauptgewerbe ist der flexible Altersrücktritt in Frage gestellt. Wird die jungfreisinnige Initiative angenommen, sind auch die Frühpensionierungslösungen in anderen exponierten Branchen gefährdet. Konkret betroffen sind die Maler/innen und Gipser der Deutschschweiz, des Jura und des Tessins, welche bisher mit 62 bzw. 63 in Renten gehen können, die Arbeitnehmenden der Westschweizer Gewerbebranchen, des Basler Ausbau-, Gipser- und Plattenlegegewerbes sowie der Schweizerischen Natursteinbranche (Rentenantritt bis anhin mit jeweils 62) sowie die Angestellten der Gebäudehüllebranche (bisher schrittweise Pensionierung ab 60).
«Unsere Basis ist empört und wird Widerstand leisten», erklärt Nico Lutz. Die Initiative der Jungfreisinnigen sei ungerecht und zynisch: «Sie spart auf dem Buckel der hart arbeitenden Büezer. Das werden wir auf keinen Fall zulassen.»