Hart verhandeln für faire Lösungen
Für Aussenstehende hat es fast etwas Rituelles. Alle drei Jahre – das nächste Mal Ende 2022 – steht die Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrags im Bauhauptgewerbe an und es gibt dann Krach zwischen dem Baumeisterverband und den Gewerkschaften. Demos und Protesttage, Zehntausende von Bauarbeitern, die sich auf der Strasse oder den Baustellen für ihre Anliegen einsetzen.
Jeder zweite Maurer geht
Man kann sich zu Recht fragen: Muss das sein? Weder der Baumeisterverband noch die Gewerkschaften dürften Freude an diesem Konflikt haben. Aber er ist Ausdruck davon, dass es um viel geht. Die Erfahrung zeigt: Es ist bisher nie gelungen, sich frühzeitig zu einigen. Die Erwartungen sind hoch und keine Seite ist bereit, sich vorzeitig von diesen zu verabschieden. Die Lösungen kommen meist kurz vor Torschluss zustande – oder sogar etwas später.
Die Bauarbeiter steigen mit klaren Ansprüchen in die Verhandlungen: Die einseitige Flexibilität, die heute von ihnen verlangt wird, belastet ihre Gesundheit und macht den Beruf so unattraktiv, dass jeder zweite Maurer über kurz oder lang die Branche verlässt. Das muss sich ändern. Konkret: Es darf nicht mehr sein, dass in der Sommerhitze während Wochen zehn und mehr Stunden gearbeitet wird und dann noch lange Reisezeiten dazu kommen.
Verbindliche Regeln sind nötig
Die Bauarbeiter müssen teils um fünf Uhr aus dem Haus und kommen nach 19 Uhr todmüde zurück. In Ausnahmesituationen sind sie dazu bereit. Aber nicht über Monate hinweg, so dass sie nichts mehr von ihrer Familie haben. Überstunden müssen deshalb reduziert werden, Reisezeiten müssen verkürzt oder zumindest vollständig entschädigt werden (was heute nicht der Fall ist) und es braucht verbindliche Regeln, wann die Arbeit bei gefährlichem Wetter eingestellt wird.
Der Baumeisterverband hat andere Vorstellungen. Das Bedürfnis nach immer mehr Flexibilität scheint grenzenlos. Was auch stimmt: Die Baufirmen werden von den Auftraggebern mit unrealistischen Terminen brutal unter Druck gesetzt. Umso wichtiger wäre es, wenn der Landesmantelvertrag (LMV) in Sachen Arbeitszeit für alle Firmen einen klaren Riegel schiebt, den dann auch die Bauherren akzeptieren müssen.
Lösungen finden, die für alle funktionieren
Es zeichnet sich jetzt schon ab: Die Vertragsverhandlungen, die Ende Februar beginnen, werden hart geführt werden. Die Herausforderung besteht darin, Lösungen zu finden, die für beide Seiten funktionieren. Darum ist es rätselhaft, dass der Baumeisterverband schon vor Beginn der Verhandlungen seine Basis auf einen vertragslosen Zustand einzuschwören versucht. Geht es dabei nur um interne Befindlichkeiten? Die Ausgangslage der Baumeister in den Verhandlungen und in der Öffentlichkeit verbessern solche Gedankenspiele wohl kaum.
Es steht einiges auf dem Spiel: Für die Baumeister und für die Bauarbeiter. Der LMV ist ein wesentliches Element für die seit Jahren anhaltende, stabile und gute Baukonjunktur. Deshalb sollen beide Seiten hart verhandeln, um dann faire Lösungen zu finden.