In Zuge eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens für Elektroarbeiten im Bus- und Tramdepot der Genfer Verkehrsbetriebe (TPG) erhielt eine lombardische Firma mit Niederlassung in Gingins im Kanton Waadt den Zuschlag. Für die effektiven Arbeiten liess die lombardische Firma in der Folge eine andere Firma in Süditalien Arbeiter rekrutieren. Diese wiederum forderte von den Arbeitern, dass sie für die Lohnüberweisung in Italien ein Bankkonto eröffnen und dem Firmeninhaber ihre Bankkarten überlassen.
Ein Teil des Lohns abgezogen
Es kam wie es kommen musste: Laut den Lohnabrechnungen der Arbeiter, die auch den Kontrolleuren gezeigt wurden, war alles in Ordnung. Die Löhne entsprachen dem Genfer GAV für Elektroinstallateure; und alles wurde zeitgerecht auf die italienischen Konti der Arbeiter überwiesen. Alles schön belegt mit Dokumenten. Der Trick bestand aber darin, dass von italienischen Mittelsmännern anschliessend ein Teil des Lohns direkt mit der einverlangten Bankkarte von den Konti wieder abgehoben wurde; in den offiziellen Dokumenten hinterliess der Betrug so praktisch keine Spuren. Und als wäre das noch nicht genug, wurden von den Arbeitern effektiv geleistete Überstunden gar nicht erst erfasst und auch nicht ausbezahlt. Die Unia Genf geht deshalb davon aus, dass der tatsächlich überwiesene Stundenlohn statt bei 24.68 Franken zwischen 8 und 10 Franken liegt.
Den Lohnschutz verstärken, statt ihn zu schwächen
Dieser Fall schliesst nahtlos an die von Unia diese Tage aufgedeckten Grossskandale beim Zürcher Unternehmen Goger AG und auf der Baustelle des Monte-Ceneri-Tunnels der SBB im Tessin an. Die Fälle zeigen in aller Deutlichkeit, dass bereits der heutige Lohnschutz unzureichend ist. Die Schweiz braucht dringend mehr, nicht weniger Lohnschutz wie das die Verteidiger der aktuellen Version eines Rahmenabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in absolut unverantwortlicher Manier durchsetzen wollen. Für das öffentliche Auftragswesen müssen zudem dringend klare Regeln eingeführt werden, um solchen Missbrauch in Zukunft zu verhindern.